Der Aufsichtsrat der Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft (SWSG) stellt sich hinter die starken Mieterhöhungen von bis zu 60 Prozent.

Stuttgart - Der Aufsichtsrat der Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft (SWSG) hat sich hinter die aktuelle Geschäftspolitik gestellt, wonach bei Wohnungsmodernisierungen die Mieten bis zu 60 Prozent und mehr steigen können. Der Mieterverein hatte eine so hohe Mieterhöhung für SWSG-Mieter in der Bottroper Straße 45 bis 49 und 65 bis 69 im Hallschlag jüngst in einem Brief an den Aufsichtsrat als sozial unverantwortlich und mietervertreibend kritisiert. Mit der Forderung, Mieterhöhungen auf zehn Prozent zu begrenzen, stieß er in dem Kontrollgremium aber auf Ablehnung.

 

Wie nach der Aufsichtsratssitzung am Montagabend bekannt wurde, sei zwar über eine gestaffelte Anhebung der Mieten diskutiert, diese Alternative aber verworfen worden. Um den Sanierungsstau bei rund 8000 ihrer Wohnungen abbauen und die Modernisierungen finanzieren zu können, brauche die SWSG höhere Mieten. Zudem bedinge die gewünschte strukturelle Veränderung letztlich einen gewissen Wechsel. Überforderten Mietern solle aber im Einzelfall, so wie bisher, eine günstigere Ersatzwohnung angeboten werden.

SPD und Grüne tragen Beschluss mit

Dieser Beschluss wird auch von den Vertretern von SPD und Grünen mitgetragen. „Wir wollen eine Durchmischung, aber uns ist wichtig, dass individuelle Hilfestellungen gegeben werden“, betont SPD-Stadträtin Monika Wüst. „Langfristig sollte man vielleicht über eine stufenweise Mieterhöhung nochmals diskutieren.“ Für die Grünen steht der Umweltschutz im Vordergrund. „An der energetischen Sanierung führt kein Weg vorbei“, betont Stadträtin Silvia Fischer. Wichtig sei jedoch, dass im Einzelfall Mietern eine bezahlbare Ersatzwohnung angeboten werde.

Bei anderen genossenschaftlichen und städtischen Wohnungsunternehmen hat das über einen Bericht der StZ bekannt gewordene Vorgehen der SWSG unter dessen landesweit Diskussionen und auch Kopfschütteln ausgelöst. Die Aufgabe, aufwendige, von umweltpolitischen Auflagen zusätzlich verteuerte energetische Modernisierungen zu schultern und zu finanzieren, stellt alle zunehmend vor Probleme. Aber trotzdem gehen andere Gesellschaften das Thema im Hinblick auf ihre Mieter sensibler und rücksichtsvoller an als das Wohnungsunternehmen der Landeshauptstadt.

Genossenschaften im Investor-Dilemma

„Wir würden keine 60 Prozent Mieterhöhung in Kauf nehmen, weil wir das nicht für sozialverträglich halten, das wäre nicht im Einklang mit unserer Rechtsform als Genossenschaft“, sagt Rainer Böttcher, Vorstandsmitglied der Flüwo, die landesweit 9000 Wohnungen hat, 1500 davon in Stuttgart. „Wir begrenzen die monatliche Mieterhöhung nach Modernisierung je nach Größe der Wohnungen auf zirka 70 Euro“, so Böttcher zur Praxis der Flüwo. Gleichwohl sieht er auch seine Genossenschaft „im Investor-Dilemma“. Will heißen: die Kosten für neue Fassaden, Dächer und Fenster müssen irgendwie bewältigt werden. Die Antwort der Flüwo auf das Problem heißt: „Wir verzichten auf eine Maximalrendite. Dividenden von vier Prozent lassen sich bei Modernisierungen einfach nicht erwirtschaften, das müssen wir kompensieren“, sagt Böttcher.

Die Baugenossenschaft Bad Cannstatt geht mit ihren 1600 Wohnungen in Stuttgart einen anderen, ebenfalls sozialverträglichen Weg. Elf Prozent der Modernisierungskosten Jahr um Jahr auf die Mieter abzuwälzen verbiete sich schon allein deshalb, weil man „als Genossenschaft keine Mietmaximierung“ betreibe, betont Geschäftsführer Peter Hasmann. „Wir haben viele langfristige Mieter, die wir behalten wollen, zu hohe Mieten aber vertreiben die Leute, weil sie sich das einfach nicht leisten können. 60 Prozent Mieterhöhung bedeutet Verdrängung.“ Er plädiert deshalb für eine gestaffelte Annäherung an den Mietspiegel über reguläre Mieterhöhungen.

Sanierungsstau bei der SWSG

Die Art, wie seine Genossenschaft, mit teuren Modernisierungen umgeht, beschreibt er am aktuellen Beispiel in Neugereut. Dort werden zurzeit mehr als 70 ehemalige Sozialwohnungen auf einen modernen Stand gebracht. Als die soziale Bindung vor zwei Jahren wegfiel, so Hasmann, habe man die Mieten mit dem Versprechen einer Modernisierung um 20 Prozent angehoben, um bei der Quadratmetermiete wenigstens eine fünf vor dem Komma zu erreichen. Jetzt wird modernisiert und 2013 müssten die Mieter dann nochmals mit einer Mieterhöhung um 20 Prozent rechnen.Einen ganz anderen Weg geht die Wohnbaugesellschaft der Stadt Konstanz (Wobak), welche der Mieterverein der SWSG als Vorbild empfiehlt.

Die Konstanzer haben 3700 Wohnungen im Bestand. „Wir dürfen nur so sanieren und modernisieren, dass wir die Menschen nicht vertreiben“, benennt Hans-Joachim Lehmann von der Geschäftsleitung das von der Politik klar vorgegebene Ziel. Umgesetzt werde es durch eine konsequente Modernisierungspolitik. Einen Sanierungsstau wie bei der SWSG lassen die Konstanzer erst gar nicht aufkommen. „Wir haben keine Wohnanlage, wo die Modernisierung zu einer Mietsteigerung von 60 Prozent führen könnte“, sagt Lehmann. Sollten dennoch einmal mehrere Baumaßnahmen zusammenfallen und das Ganze damit besonders teuer werden, würden die Maßnahmen und damit die Mietsprünge zeitlich gestreckt, betont er. Im übrigen verweist er stolz darauf, dass die Wobak von den Mieteinnahmen ständig einen überdurchschnittlich hohen Anteil reinvestiere. Lehmann:„Dann tauchen die Probleme doch erst gar nicht auf.“