Bei einem Vorhaben der städtischen Wohnbau-Tochter in einem Neubaugebiet in Waldenbuch wollen die Stadträte Ausnahmen vom gerade erst beschlossenen Bebauungsplan genehmigen.

Der Waldenbucher Gemeinderat steckt in der Zwickmühle. Erst zwei Jahre ist es her, dass die Räte im Bebauungsplan „Liebenau VII“ festgeschrieben haben, was Bauherren im Neubaugebiet auf dem Kalkofen beachten müssen. Jetzt muss der Technische Ausschuss des Gemeinderats bereits über die ersten Ausnahmen von den gültigen Regeln entscheiden. Besonders delikat: Es handelt sich um ein Bauvorhaben der stadteigenen Baugesellschaft, die am Südhang über dem Aichtal drei Mehrfamilienhäuser errichten will.

 

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Die Planung der Waldenbucher Stadtbau hat Modellcharakter. Im Rahmen des Ideenaufrufs „Holzbau als Bestandteil des kommunalen Klimaschutzes“ wird das Vorhaben mit 400 000 Euro vom Land gefördert. Die Gebäude sollen möglichst nachhaltig werden, trotzdem ist die Stadt bestrebt, die zur Verfügung stehenden Flächen effektiv zu nutzen, um die Preise für die künftigen Bewohner auf ein erträgliches Maß zu reduzieren.

Das Konzept beinhaltet innovative Ideen

Die Planer rund um den Geschäftsführer der Stadtbau, Steffen Bosch, haben ein Konzept entwickelt, das mit innovativen Ideen punktet. Wie die Bauvoranfrage im Ratsgremium nun zeigt, sind einige davon jedoch nicht mit den Vorgaben des Bebauungsplans kompatibel. In drei Punkten gibt es Abweichungen: ein erdüberdeckter Zugang und die im Erdgeschoss geplanten Terrassen liegen ganz oder teilweise außerhalb der Baugrenze. Außerdem ist zwischen zwei Gebäuden ein Aufzugsturm mit oberirdischen Laubengängen geplant, der als verbindendes Element die maximale Länge für Wohngebäude von 15 Metern überschreitet.

Das Böblinger Landratsamt hatte im Vorfeld der Sitzung dazu geraten, die Befreiungen nicht zu erteilen. „In bisherigen Bauanträgen wurden auch keine Befreiungen erteilt, und es handelt sich um einen neuen Bebauungsplan. Außerdem ist die Schaffung von Präzedenzfällen zu befürchten“, argumentierte die Genehmigungsbehörde.

Auch skeptische Stimmen im Gemeinderat

Die Mitglieder des Technischen Ausschusses bewerteten die Situation differenzierter. „Bei der Erarbeitung des Bebauungsplanes war noch nicht absehbar, dass wir drei Grundstücke vereinen können und an dieser Stelle eine Tiefgarage brauchen“, erklärte der Bürgermeister Michael Lutz. Er verwies auf die große Durchgängigkeit zwischen den Gebäuden. „Die Grundzüge der Planung werden nicht verändert“, betonte er.

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Die Mehrheit der Stadträte teilte diese Meinung. Dass es um eine Befreiung in eigener Sache ging, behagte jedoch nicht jedem. „Ein neuer Plan und schon wieder Befreiungen – das ist nur schwer erklärbar. Und wir können es uns nicht leisten, Vorhaben der Stadtbau anders zu behandeln als private“, befand der SPD-Stadtrat Walter Keck. Der Grünen-Stadtrat Rudolf Wehr richtete seine Kritik direkt an die städtische Baugesellschaft: „Diese Leistung ist echt schlecht. Sie wussten, dass sie mit dieser Planung gegen den Bebauungsplan verstoßen.“

Trotz dieser Bedenken stimmten letztlich sechs von zehn Räten für die aktuelle Planung. Die Stadtbau kann auf dieser Basis nun mit der Zustimmung für einen entsprechenden Bauantrag rechnen. Zu den Befürwortern der Befreiungen gehörte der CDU-Stadtrat Karl Rebmann, der erklärte: „Ich erkenne hier einen sehr innovativen Ansatz. Wir sind im Laufe des Verfahrens einfach schlauer geworden.“