Der Wohnungsmarkt in den Großstädten ist angespannt, Sozialwohnungen sind rar, und jetzt suchen immer mehr Flüchtlinge nach einer dauerhaften Bleibe. Was tun? Die Landesregierung setzt auf privates Kapital. Was könnte sonst noch helfen?

Stuttgart - Dem Wohnungsbau im Land muss nach Ansicht von Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid in den kommenden Jahren Priorität eingeräumt werden. „Wir brauchen eine umfassende Offensive für bezahlbaren Mietwohnraum“, sagte der SPD-Politiker am Mittwoch nach dem von ihm einberufenen „Wohnungsbaugipfel“. Bei dem Treffen ging es um die Frage, wie die vielen Flüchtlinge – im Südwesten erwartet man übers Jahr gerechnet 100 000 Menschen – dauerhaft mit Wohnungen versorgt werden können. Darüber berieten Vertreter der Städte und Gemeinden, der Bauwirtschaft und Baufinanzierer, der Mieter- und Immobilienverbände sowie der Wohnungseigentümerverbände, der Architekten und der Politik.

 

Den wichtigsten Beitrag zur Lösung des Problems sieht der Finanz- und Wirtschaftsminister in der Mobilisierung privaten Kapitals. Auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte sich jüngst dafür ausgesprochen, den sozialen Wohnungsbau im Steuerrecht zu fördern. Schmid wies nach dem Wohnungsbaugipfel darauf hin, dass Sonderabschreibungen für den Sozialwohnungsbau bereits Anfang der 1990er-Jahre den Wohnungsbau stimulieren konnten.

In Ballungsräumen herrscht Wohnungsnot

Allen Beteiligten ist klar: Es muss rasch gehandelt werden. Die große Herausforderung der Flüchtlingsunterbringung liegt ja gar nicht einmal vorrangig in der großen Zahl der Menschen, die Zuflucht suchen, sondern in der kurzen Zeit, in der sie kamen und immer noch kommen. Sie stoßen auf einen Wohnungsmarkt, der in Baden-Württemberg in den Ballungszentren, aber zum Teil auch in mittleren Städten äußerst angespannt ist. Derzeit werden nach Angaben Schmids in Baden-Württemberg derzeit mehr als 30 000 Wohnungen im Jahr fertiggestellt. Nötig seien allerdings mehr als 40 000 Wohnungen im Jahr, und mit den neu ankommenden Flüchtlingen sieht der Minister einen weiteren Bedarf von 15 000 Wohneinheiten.

Nach Angaben Schmids wurden auf dem Wohnungsbaugipfel drei Handlungsfelder abgesteckt: Erstens ging es darum, die nötigen Flächen bereitzustellen. Dies verlangt von den politischen Akteuren ein völliges Umdenken. In den vergangenen Jahren war es unter dem Eindruck des erwarteten Bevölkerungsrückgangs weniger um Flächenausweitung als um Flächenschonung und Innenentwicklung der Städte und Gemeinden gegangen. Schon Ministerpräsident Günther Oettinger hatte nach der „Nettonull“ in der Finanzpolitik die „Flächennettonull“ ausgerufen. Es sollten nicht noch mehr Naturräume dem Flächenfraß zum Opfer fallen. Der Vorrang galt der Nutzung innerörtlicher Freiflächen. Also: keine neuen Baugebiete, sondern Nutzung von nicht (oder nicht mehr) genutzten Grundstücken in den Kommunen.

Teure Autostellplätze

Diese Innenentwicklung will Finanz- und Wirtschaftsminister Schmid verstärkt fördern, aber er machte auch klar, dass das nicht ausreicht. Rechtsänderungen bedürfe es dazu aber nicht, berichtete er. Darin sei sich die Gipfelrunde weitgehend einig gewesen. Schmid nannte in diesem Zusammenhang ausdrücklich das im Ressort von Infrastrukturminister Winfried Hermann (Grüne) 2013 aktualisierte Hinweispapier zur Plausibilitätsprüfung bei der Berechnung des Flächenbedarfs. Darin wird mit einer Formel festgelegt, in welchem Umfang Kommunen Bauflächen ausweisen dürfen. Schmid sagte, diese Formel sei dem Bevölkerungszuwachs anzupassen.

Als zweites Handlungsfeld prüfte die Gipfelrunde, welche Vorschriften dem Bauen hinderlich seien. Schmid sagte nach dem Treffen, er habe dazu wenig Kritik gehört. Genannt worden sei etwa die vorgeschriebene Berücksichtigung von Autostellplätzen. Dies verteuere das Bauen. Auch Aufzüge und Fahrradabstellplätze wurden angesprochen. Der Minister sagte zu, zeitlich befristete Ausnahmen und Befreiungen von baurechtlichen Bestimmungen zuzulassen.

Was das dritte Handlungsfeld, das Geld, angeht, so sieht Schmid im Landesetat ausreichend Vorsorge geschaffen. Im Doppelhaushalt 2015/2016 seien 150 Millionen Euro für die Wohnraumförderung veranschlagt. 40 Millionen kämen 2016 vom Bund hinzu, dazu noch die zusätzliche Förderung des Landes für die Anschlussunterbringung der Flüchtlinge in den Kommunen. Schmid versicherte, bei Bedarf werde das Land finanziell „nachsteuern“ .