Die diakonische Erlacher Höhe zählt immer mehr wohnungslose Menschen und fordert die Politik zum Handeln auf. Ein Betroffener berichtet.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Großerlach - Er hatte als Pfleger gearbeitet, er hatte zusammen mit seiner Freundin eine schöne Wohnung in Waiblingen. Mit der Trennung von der Partnerin nahm die Krise ihren Lauf. Das Gehalt hat nicht gereicht, um die Miete zu bezahlen. Dann wurde der heute 39-Jährige auch noch arbeitslos. Die Räumungsklage flatterte ins Haus. „Ich habe ein dreiviertel Jahr lang eine andere Wohnung gesucht.“ Vergeblich. Kaum ein Vermieter gebe einem Arbeitslosen eine Wohnung. „Ich war überfordert“, sagt der Mann.

 

Allein habe er nichts mehr auf die Reihe bekommen. Ein Tipp von einem Bekannten: „Schau bei der Erlacher Höhe vorbei.“ Die Diakonische Einrichtung mit Hauptsitz in Großerlach betreibt in Backnang ein Haus für Menschen, die ihre Wohnung verloren haben oder akut vom Wohnungsverlust bedroht sind. Der Mann aus Waiblingen bekam zunächst ein Bett in einer Vierer-WG, später ein eigenes Zimmer. Mittlerweile hat er mit Unterstützung eines Sozialarbeiters der Einrichtung eine kleine Wohnung in Sulzbach gefunden – und er arbeitet wieder in einem Pflegeheim.

Erlacher Höhe fordert Wohnungsnotfallstatistik

Wolfgang Sartorius, der Vorstand des Sozialunternehmens, schlägt Alarm. Es gebe immer mehr wohnungslose Menschen. Zum offiziellen Stichtag, an dem alle Einrichtungen zählen, seien von der Erlacher Höhe an ihren insgesamt 15 Standorten im Land 942 Menschen betreut worden, die wohnungslos oder akut vom Wohnungsverlust bedroht sind. Das seien so viele gewesen wie noch nie. „Die Zahl steigt von Jahr zu Jahr.“ Alle Wohnungen, die die Erlacher Höhe anbietet, seien ständig belegt.

Die Erlacher Höhe fordert die Bundes-, Landes- und Kommunalpolitiker auf, etwas zu tun. Der Staat müsse viel mehr Geld bereitstellen für den sozialen Wohnungsbau. In Deutschland fehlten rund vier Millionen bezahlbare Wohnungen für Menschen mit kleinem Einkommen. „Wir brauchen einen Masterplan“, sagt Sartorius. Die Einkommen seien in den vergangenen fünf Jahren um rund acht Prozent gestiegen, die Mieten aber um rund 17 Prozent.

Die Einrichtung fordert die Bundespolitik auf, eine sogenannte Wohnungsnotfallstatistik einzuführen, in der aufgelistet wird, wie viele Menschen eine Bleibe suchen. Es sei unglaublich, dass es „zwar belastbare Datengrundlagen zum Beispiel zum Verbrauch von Zahnbürsten und Autoreifen gibt, nicht aber zum Ausmaß des existenziellen Wohnungsmangels“.

„Ich habe furchtbare Angst vor Obdachlosigkeit.“

Die Sozialarbeiter der Erlacher Höhe kennen zig Geschichten wie die des Pflegers aus Waiblingen. Da ist zum Beispiel die 21-jährige Frau mit einem kleinen Kind, die jetzt eine Kündigung ihres Vermieters wegen Eigenbedarfs bekommen hat. Sie sagt: „Ich habe furchtbare Angst vor Obdachlosigkeit.“ Eine 60-jährige Frau, die ihre Wohnung bereits verloren hat, lebt derzeit in einem winzigen Zimmer ohne eigenes Bad und ohne Küche. Sie sagt: „Ich bin verzweifelt, mein Zimmer in der Unterkunft ist ein Loch.“

Der 39-jährige Mann hat sich gefangen, er sagt, ihm gehe es ganz gut. Er sei wieder auf der Suche nach einer anderen, etwas größeren Wohnung, „aber diesmal ohne Druck“. Denn er weiß: In seiner Wohnung in Sulzbach kann er so lange bleiben, bis er eine Alternative gefunden hat.

Spenden für eine Wohnung

Beratung
In der Beratungsstelle der Erlacher Höhe in Backnang, die von Wohnungsverlust bedrohten Menschen hilft, ist die Zahl der Klienten im Vergleich zum Vorjahr um 26 Prozent auf 117 Personen gestiegen.

Aktion
Die Erlacher Höhe sammelt Spenden, um eine weitere „einfache, bescheidene“ Wohnung kaufen zu können. Das Motto der Aktion: „Jeder Mensch braucht eine Wohnung".