Die Juristische Fakultät, das Rektorat und die Stadtverwaltung schieben sich gegenseitig die Verantwortung für einen Konfliktfall mit Obdachlosen zu – die am Gebäude der Juristischen Fakultät lagernden Wohnungslosen sollten sich möglichst einen anderen Platz suchen.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Freiburg - Die Gruppe von Obdachlosen und Nichtseßhaften vor dem Kollegiengebäude II der Universität Freiburg erhitzt die Gemüter in Freiburg. Zwischen sechs und zwölf Menschen, die schon einmal bessere Tage erlebt haben, haben sich eine Nische am Gebäude, direkt unterhalb der Juristischen Fakultät als Wohnort und Treffpunkt ausgesucht. „Es liegen Flaschen und Müll herum, es wird ans Gebäude uriniert und gekotet. Die Menschen trinken Alkohol, bis sie volltrunken sind, und haben teilweise Hunde dabei“, beschreibt Alexander Bruns, der Dekan der Juristischen Fakultät den für jedermann ersichtlichen Zustand. „Außerdem kommt es zu verbalen Belästigungen“, auch beim unbefugten Besuch der Toiletten im Gebäude. Es gebe Studierende, die sich nicht mehr trauten, den Westeingang zum Audimax zu nehmen. Ganz abgesehen davon, könnten „internationale Gäste“ rein gar nicht verstehen, „dass Menschen vor dem Haupteingang unserer Universität lagern“. Mittlerweile würden Sessel und andere Möbel aufgestellt. Der Dekan weicht aber der Frage aus, ob er die Obdachlosen vor der Uni weghaben will. „Die Universität hat nicht den Auftrag, Sozialprobleme zu lösen, die der eigentliche Grund für das Leben der Menschen auf dem Platz sind“, sagt Bruns.

 

Eine Unterschriftensammlung wirbt für Toleranz

Es gebe eine ganze Reihe solcher tendenziöser, freilich aber „nicht eindeutigen Äußerungen“, sagt David Werdermann (23), vom Arbeitskreis Kritischer Juristen (AKJ). Es seien auch gezielt „negative Berichte eingeholt“ worden. Die AKJ-Gruppe hat daher eine Unterschriftensammlung mit dem Titel „Toleranz statt Vertreibung“ begonnen, die bereits von 1000 Personen, sowie anderen hochschulpolitischen Organisationen befürwortet wird.

Wohnungslose Menschen hätten das Recht, sich im öffentlichen Raum aufzuhalten, postuliert die Solidaritätserklärung, eine Vertreibung löse das Problem nicht, sondern verlagere es höchstens. Eine Lösung haben auch die Kritischen Juristen nicht parat, man dürfe sich aber nicht von oben herab mit den Obdachlosen über ein auskömmliches Miteinander verständigen. Den Stein ins Rollen gebracht haben Beschwerden von Studierenden, die die Fachschaftsgruppe „Justus“ aufgegriffen und an den Dekan weitergeleitet hatte. Aber die Studentenvertreter von Justus wehren sich vehement gegen die Unterstellung, sie seien für die Vertreibung. „Das haben wir nie und nirgends gesagt“, beteuert Franziska Grethe (22), die für „Justus“ in der Fachschaft sitzt. In der Vertretung der Studierenden hält Justus vier, der AKJ zwei Sitze. Auch die anderen AKJ-Vertreter seien dafür gewesen, das Thema in den Fakultätsrat zu bringen. „Es muss ein Dialog in Gang gesetzt werden“, sagt Grethe, denn es ginge nicht um Lappalien, sondern um massive Beleidigungen und um tätliche Angriffe.

Das Rathaus hat vom Unirektorat noch keine Nachricht erhalten

Grundstückseigentümerin vor dem Gebäude ist die Stadt Freiburg. „Wenn es Belästigungen gibt, dann ist die Polizei die erste Adresse“ heißt es aus dem Rathaus. Und bisher sei nichts gemeldet worden, es sei auch kein Schreiben vom Rektorat eingegangen, sagt Sozialbürgermeister Ulrich von Kirchbach (SPD). Es gebe zudem keinerlei Rechtsgrundlage, die Obdachlosen dort „abzuräumen“, so lange keine schwerwiegenden Gesetzesverstöße oder Gefährdungen von Sicherheit und Ordnung vorlägen. Wenn es im Gebäude Probleme gäbe, könne die Uni ihr Hausrecht ausüben. „Die Stadt macht es sich ein bisschen einfach, wenn sie sagt, sie wüsste von nichts“, sagt Dekan Bruns und kündigt an: „Dann werden sie bald etwas erfahren.“ Das solle keine Drohung sein, schiebt der Jurist nach, es sei aber klar, dass „der Aufenthalt im öffentlichen Raum nicht in der Kompetenz der Universität liegt“.

Das sieht auch die Uni-Leitung so. „Die Stadt muss in die Pötte kommen“, erklärt der Rektoratssprecher Rudolf Dreier. „Einen Teil wird man aushalten müssen“, vermutet er, einfach weil es „keine Patentlösung“ gebe. Genauso wenig wie für die nicht minder unappetitlichen Konflikte an der Ostseite der Universität, wo an jedem Wochenende die Alkoholexzesse der durchweg sesshaften, aber feierfröhlichen Jugend ihre Spuren hinterlassen.