Bei der Frage nach einem Zweckentfremdungsverbot gegen die Eigentümer leer stehender Wohnungen gehen die Meinungen im Stuttgarter Gemeinderat auseinander. Die CDU und die FDP sind entsetzt darüber, andere Fraktionen halten die Regelung für sinnvoll.

Stuttgart - Das Land hat vor wenigen Tagen offiziell festgestellt, dass in Stuttgart ein Mangel an bezahlbaren Wohnungen herrscht. Nun stellt sich die Frage, ob die Stadt auf dieser Basis mit dem Zweckentfremdungsverbot gegen die Eigentümer leer stehender Wohnungen vorgehen soll. Die Meinungen im Gemeinderat gehen weit auseinander.

 

Die CDU spricht sich gegen eine Regelung aus, mittels derer grundloser Leerstand mit bis zu 50 000 Euro geahndet werden könnte. „Ein Verbot der Zweckentfremdung bei Nichtvermietung von Wohnraum ist ein drastischer Eingriff in die Eigentumsrechte“, erklärt der stellvertretende Fraktionschef Philipp Hill. „Ein solcher Eingriff setzt voraus, dass alle Möglichkeiten, die Eigentümer für eine freiwillige Vermietung zu gewinnen, ausgeschöpft wurden“, so Hill weiter. Seine Amtskollegin Beate Bulle-Schmid fügt an: „Ich bin der Meinung, dass man sich mit staatlichen Regulierungen möglichst zurückhalten sollte. Die Märkte regulieren sich immer noch am besten selbst.“ Die Landesregierung rechtfertigt ihr Vorgehen allerdings gerade damit, dass „ein Marktversagen festzustellen ist“, wie es in der Gesetzesvorlage heißt.

Die Grünen beziehen sich auf Erfahrungen aus Freiburg

Die Grünen verweisen, wie die CDU, auf eine jüngst ins Leben gerufene Aktion, bei der Eigentümer schriftlich aufgefordert werden, freiwillig wieder zu vermieten. „Dabei halten wir die Kampagne des Oberbürgermeisters sowie von Haus und Grund und dem Mieterverein, die sich mit der Bitte um die Bereitstellung von Wohnraum an Hauseigentümer wenden, ebenfalls für erfolgsversprechend“, heißt es in einem aktuellen Antrag der Fraktion, auf den die Partei auf StZ-Anfrage verweist. In Sachen Zweckentfremdung beziehen sich die Grünen auf Erfahrungen aus Freiburg. Dort wurde eine solche Satzung bereits eingeführt. Die dortigen Erfahrungen seien ernüchternd, heißt es. Eine konkrete Position für oder gegen das Zweckentfremdungsverbot hat die Fraktion bislang offenbar nicht gefasst.

Deutlicher wird hingegen die SPD: „Nachdem die Landesregierung nun klargestellt hat, dass in Stuttgart Wohnraummangel herrscht, setze ich darauf, dass das auch der OB und der Erste Bürgermeister anerkennen und dem Gemeinderat endlich eine kommunale Satzung gegen den Wohnungsleerstand vorlegen“, erklärt der Fraktionschef Martin Körner. In Bezug auf den Vorstoß der Landesregierung zum Wohnungsmangel in Stuttgart sagt Körner: „Das sozialdemokratisch geführte Wirtschaftsministerium schafft jetzt die Voraussetzungen für einen besseren Mieterschutz in Stuttgart.“ Körner fügt an: „Das ist bei uns besonders wichtig, damit Wohnen bezahlbar bleibt.

Freie Wähler halten aktuelle Lage für „vermieterunfreundlich“

Die Fraktion SÖS-Linke-Plus argumentiert: „Wohnraum, insbesondere für Mieter mit geringem Einkommen, ist unbezahlbar, sie werden immer häufiger aus ihren Wohnungen verdrängt.“ Der Fraktionschef Thomas Adler erklärt: „Wir fordern Oberbürgermeister Kuhn auf, jetzt unverzüglich eine Vorlage für eine Zweckentfremdungssatzung ausarbeiten zu lassen.“ Adler fügt an: „Mit der Vorlage der Landesregierung ist nun die allerletzte Begründung für die Verzögerungstaktik des OB entfallen.“

Die Freien Wähler führen hingegen an, die aktuelle Gesetzeslage sei bereits „vermieterunfreundlich“. Die Fraktion erklärt auf Anfrage: „Wir glauben nicht, dass Eigentümer ihre Wohnungen absichtlich und ohne triftigen Grund leer stehen lassen. Wir unterstellen, dass jeder Eigentümer daran interessiert ist, Geld zu verdienen.“ Und: „Mit einer weiteren Vorschrift wird keine einzige weitere Mietwohnung geschaffen.“

Der Fraktionschef der Alternative für Deutschland (AfD), Bernd Klingler, erklärt überraschenderweise: „Die AfD-Gemeinderatsfraktion befürwortet grundsätzlich die Einführung eines Zweckentfremdungsverbots in Stuttgart.“ Zudem fügt der ehemalige Vorsitzende der Liberalen an: „Wo Eigentümer von Wohnungen diese über einen zu definierenden längeren Zeitraum bewusst leer stehen lassen, sollte das Zweckentfremdungsverbot sofort greifen, um normalen Ansprüchen genügenden Wohnraum wieder verfügbar zu machen.“ Ausnahmen müsse es bei Erfahrungen mit Mietnomaden geben.

Klinglers ehemalige Parteigenossen von der FDP sehen die Sachlage völlig anders: „Es ist schon ein wenig erstaunlich, dass immer mehr durch Eingreifen des Staates versucht wird, die Mieten in den Griff zu bekommen. Dabei sind es doch vielfach eben diese Eingriffe, die indirekt die Mieten erhöhen und das Bauen verteuern“, erklärt Stadtrat Matthias Oechsner.

Einzelstadtrat Ralph Schertlen (Stadtisten) erklärt: „Die Stadt sollte eine kommunale Satzung erlassen und das Zweckentfremdungsverbot in Stuttgart einführen, um ein Zeichen zu setzen.“ Die Verwaltung verweist auf die Sitzung des Bündnisses für Wohnen am 18. März. „Derzeit erarbeiten städtische Experten eine Einschätzung des Leerstandes, die die Entwicklungen in Stuttgart seit dem Zensus 2011 berücksichtigt“, sagt ein Sprecher der Stadt.