Hält die Stadtverwaltung den aktuellen Wohnungsmarktbericht unter Verschluss? Das wirft der Eigentümerverein Haus und Grund der Stadt vor. Die Verwaltung sagt, sie wolle den Bericht auf das lange angekündigte Wohnbaukonzept von OB Fritz Kuhn abstimmen.

Stuttgart - Es gibt ein Dokument, auf das alle Akteure am Stuttgarter Immobilienmarkt fast sehnsüchtig warten. Es handelt sich um den aktuellen Wohnungsmarktbericht. Der ehemalige Erste Bürgermeister und heutige Vorsitzende des Eigentümervereins Haus und Grund, Klaus Lang, behauptet nun: „Die Verwaltung hält den fertigen Bericht zurück.“

 

Der bislang letzte Bericht zur Wohnsituation in Stuttgart datiert vom Februar 2008. „Darin sind Zahlen aus den Jahren 2006 und 2007 enthalten“, sagt Lang, „der ist heute völlig unbrauchbar.“ Der ehemalige Bürgermeister hat noch heute gute Drähte in die Ämter, mit denen er einst zusammengearbeitet hat. „Nach meinem Wissen ist der Bericht bereits seit einem Vierteljahr fertig“, ärgert er sich.

In dem Dokument werden akribisch sämtliche Daten aufgelistet, die für den städtischen Wohnungsmarkt von Bedeutung sind – Bautätigkeit, Eigentumsquote, das Angebot an geförderten Wohnungen sowie die Wohnungsversorgung im Großstadt- und Regionalvergleich waren in der jüngsten Ausgabe unter anderem enthalten.

Vorwurf: Die Stadt hortet Herrschaftswissen

„Wenn wir uns mit dem Thema Wohnen ernsthaft befassen wollen, müssen die Fakten auf dem Tisch sein“, sagt Lang. Eine Äußerung, die in der aktuellen Situation besonders brisant ist. Denn Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) steht seit Wochen in der Kritik, da sein bereits im Frühjahr angekündigtes Wohnkonzept noch immer nicht veröffentlicht wurde (die StZ berichtete). „Der Bericht muss vor dem Konzept öffentlich werden“, fordert Lang entschieden, „wir müssen das Strategiepapier doch an objektiven Fakten messen können.“ Der Wohnungsmarktbericht wird in aller Regel vom Statistischen Amt in Zusammenarbeit mit dem Amt für Liegenschaften und Wohnen erarbeitet. „Die Verwaltung behandelt diese Fakten als Herrschaftswissen“, behauptet Klaus Lang und fügt an: „Das kann so nicht sein.“

Gegen diese Behauptung wehrt sich die Stadtverwaltung: „Der Wohnungsmarktbericht wird mitnichten zurückgehalten“, antwortet der Pressesprecher der Stadt, Sven Matis, auf Anfrage der Stuttgarter Zeitung. Die Stadt behauptet in ihrer Antwort allerdings nicht, dass das fragliche Dokument noch nicht vorliegt. „Es ist nicht sinnvoll, den Bericht vor Fertigstellung des Strategiekonzepts Wohnen zu veröffentlichen“, sagt Sven Matis hingegen. Zuerst wolle man das Strategiekonzept des OB, wie bereits mehrfach angekündigt, noch diesen Herbst vorlegen, erklärt der Sprecher der Stadt. „Dann wird der Wohnungsmarktbericht, der neben einer Bestandsbeschreibung eben auch Ausblicke in die Zukunft enthält, damit synchronisiert und danach veröffentlicht“, erklärt Matis.

Mieterverein zeigt Verständnis für Fritz Kuhn

Diese Aussage wird von den verschiedenen Lagern sehr unterschiedlich bewertet. „Synchronisieren kann in diesem Zusammenhang doch nur bedeuten, dass die neutralen Ergebnisse der Fachämter dem politischen Willen des Rathauses entsprechend umgedeutet werden sollen“, ärgert sich der Geschäftsführer von Haus und Grund, Ulrich Wecker. Die Idee, den Bericht zur Wohnsituation inhaltlich an das Strategiepapier des OB anzupassen, hält Wecker für untragbar: „Wir brauchen objektive Fakten. Eine Bewertung können die Marktteilnehmer selbst vornehmen.“

Auf Seiten des städtischen Mietervereins wird dem Oberbürgermeister diese Freiheit zur Interpretation hingegen zugebilligt. „Der Wohnungsmarktbericht muss Prognosen und Einschätzungen enthalten“, sagt der Vorsitzende Rolf Gaßmann, „Konzept und Bericht sollten aus einem Guss sein. Ich sehe hier kein Problem.“

Thema auch bei den Haushaltsberatungen

Nach Meinung von Haus und Grund gibt es jedoch einen weiteren Kritikpunkt am Vorgehen der Verwaltung: „Die Stadträte müssen bald über einen Haushaltsentwurf entscheiden, in dem es auch um das Thema Wohnen geht“, sagt der Geschäftsführer des Eigentümervereins Ulrich Wecker. Im aktuellen Verwaltungsvorschlag finden sich für das kommende Jahr Investitionen für 200 Sozialwohnungen, für 2015 sind 300 geplant. Außerdem sollen pro Jahr jeweils 100 Einfamilienhäuser oder Eigentumswohnungen, die über das Familienbauprogramm gefördert werden, hinzukommen. Bis 2018 sind derzeit Investitionen von 11,2 Millionen Euro geplant. Der Haushalt soll am 20. Dezember beschlossen werden. „Es darf nicht sein, dass Fritz Kuhn die Zahlen aus den Ämtern kennt, während die Stadträte ohne dieses Wissen abstimmen müssen“, betont Ullrich Wecker.