Aus einer Aktion der Internetplattform Leerstandsmelder.de droht eine handfeste politische Affäre zu werden. Linkenpolitiker Thomas Adler gibt zu, im Rahmen einer Demonstration in ein Gebäude eingedrungen zu sein.

Stuttgart - Aus einer Aktion der Internetplattform Leerstandsmelder.de droht eine handfeste politische Affäre zu werden. Im Rahmen einer Demonstration gegen Wohnungsmangel sind Aktivisten offenbar illegal in ein Gebäude an der Haußmannstraße eingedrungen. Den Beweis für diesen mutmaßlichen Hausfriedensbruch liefert ein Internetvideo, auf dem der Fraktionschef von SÖS-Linke-Plus im Stuttgarter Gemeinderat, Thomas Adler, zu sehen ist (das Video wurde inzwischen von dem Nutzer entfernt, Stand: 21. Oktober 2015). Die Stadt, die ursprünglich angekündigt hatte, das Zweckentfremdungsverbot auch auf Basis des umstrittenen Online-Portals durchzusetzen, geht nun auf Distanz.

 

Am späten Montagabend hat Leerstandsmelder.de gemeinsam mit der Mieterinitiative Stuttgart und dem Mietertreff Ost eine Demonstration vor dem Gebäude Haußmannstraße vier bis sechs veranstaltet. Neben dem Werbeplakat des Eigentümers für exklusive Eigentumswohnungen hängt dort derzeit ein Transparent mit der Forderung, das Gebäude sofort zu beschlagnahmen. 100 Zimmer stünden leer, die dringend für Geringverdiener, Flüchtlinge und Studenten gebraucht würden, heißt es. „Die Information, dass das Haus leer steht, haben wir beim Vorbeigehen gesammelt“, erklärt die Mitinitiatorin Britta Mösinger. Sie ergänzt: „Das Gebäude zu beschlagnahmen wäre sinnvoller, als teure Wohnungen zu bauen.“

43 Eigentumswohnungen sind geplant

Eigentümer der Immobilie ist die Bietigheimer Wohnbau. „Wir haben das Haus Anfang 2014 gekauft“, berichtet der Geschäftsführer Carsten Schüler. Von Beginn an sollten dort Wohnungen gebaut werden. „Doch die Genehmigung der Stadt lässt seit fast zwei Jahren auf sich warten“, so Schüler weiter. Geplant ist der Abriss des alten Bürogebäudes, in dem der Paritätische Wohlfahrtsverband früher seinen Sitz hatte. 43 Eigentumswohnungen sollen entstehen. „Hätten wir gewusst, dass die Stadt derart lange für die Genehmigung braucht, hätten wir in der Zwischenzeit selbstverständlich vermietet“, fügt Schüler hinzu.

Aufgrund der Aktion erwägt der Eigentümer nun, Anzeige zu erstatten. Der Vorwurf: Hausfriedensbruch. Das Transparent, das am Montagabend an dem Gebäude am Eugensplatz hängt, wurde wahrscheinlich von innen angebracht. Auf die Frage, ob man illegal in das Gebäude eingedrungen sei, gaben die Aktivisten während der Demo keine Antwort. Doch ein Video, das Thomas Adler am Dienstag an Journalisten verschickt hat, zeigt Aufnahmen aus dem Inneren des Gebäudes. „Die Polizei hat uns geraten, Anzeige wegen Hausfriedensbruchs zu erstatten“, so Schüler.

Stadtrat Thomas Adler bestätigt Besuch im leeren Haus

Thomas Adler ist neben seiner Funktion als Fraktionschef im Stuttgarter Gemeinderat einer der Verantwortlichen des Portals Leerstandsmelder. Auf StZ-Anfrage bestätigt er, ohne Einladung des Eigentümers im Gebäude gewesen zu sein. „Mir ein Bild vom tatsächlichen Zustand und den Nutzungsmöglichkeiten zu machen, halte ich für meine Verpflichtung als Gemeinderat“, begründet Adler sein Vorgehen. Die Lage werde angesichts der Flüchtlingskrise und des Wohnraummangels unter Studenten und Geringverdienern immer problematischer. Nicht die Besichtigung eines leer stehenden Gebäudes müsse geahndet werden, sondern der Leerstand für die Spekulation mit Luxuswohnungen, erklärt Adler weiter.

Die Internetseite Leerstandsmelder.de ist Eigentümervertretern schon länger ein Dorn im Auge. „Die Stadt und am besten auch der Mieterverein sollten sich von dieser Plattform sofort distanzieren“, fordert der Geschäftsführer von Haus und Grund, Ulrich Wecker. Zudem sagt Wecker: „Wenn es stimmt, dass ein Stadtrat illegal in das Gebäude eindringt, hätte er sein Mandat aus meiner Sicht verwirkt.“

Die Verwaltung geht auf Distanz zu Leerstandsmelder.de

Der Leerstand von Wohnraum wird in Stuttgart heftig diskutiert. Mit dem Zweckentfremdungsverbot könnte die Stadt Eigentümer grundlos leer stehender Wohnungen mit einem Bußgeld von bis zu 50 000 Euro belegen. Die Nachricht, dass das Gesetz zum 1. Januar 2016 in Kraft treten soll, hatte zu großer Aufregung geführt. Die Verwaltung hatte erklärt, sie wolle sich bei ihrer Arbeit auch auf die Daten des umstrittenen Internetportals stützen. Nun sagt der Sprecher der Stadt, Sven Matis: „Wir distanzieren uns ausdrücklich von dieser Form der Leerstandsschnüffelei.“ Angesprochen auf den mutmaßlichen Hausfriedensbruchs erklärt Matis: „Der Stadtrat handelt entweder gegen besseres Wissen, oder er hat sich das falsche Gebäude für seine politischen Ziele ausgesucht.“ Außerdem sei das Gebäude ausdrücklich kein Beispiel für die Anwendung des geplanten Zweckentfremdungsverbots.