Ist der Wertverlust von Grundstücken und Häusern nur ein Scheinargument, um Veränderungen in der Umgebung wie den Bau von Straßen, Spielplätzen und Funkmasten abzulehnen?

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Rohr - Es ist immer dasselbe: Wenn irgendwo ein Mobilfunkmast aufgestellt werden soll, protestieren die Anwohner – so wie aktuell in Rohr. Sie argumentieren unter anderem damit, dass der Wert ihrer Grundstücke sinke. Aber stimmt das überhaupt?

 

Ulrich Wecker antwortet mit einem klaren Ja. „Ein Mobilfunkmast in der unmittelbaren Nähe ist ein wertmindernder Faktor“, sagt der Geschäftsführer von Haus und Grund. Das gelte auch in einem gesättigten Markt wie Stuttgart, also in Gegenden, in denen die Nachfrage nach Wohnungen sehr hoch ist. „Die Wohnung oder das Haus wird deshalb nicht zum Ladenhüter. Wir haben in Stuttgart einen Markt, auf dem man alles verkauft bekommt. Da gibt es immer eine ausreichende Käuferschicht“, sagt Wecker. Aber mit einem Masten vor der Tür sinke die Nachfrage und damit die Vermarktbarkeit und der für die Immobilie zu erzielende Preis.

Wertverlust lässt sich nicht in Prozent beziffern

Wie hoch der Wertverlust ist, kann Wecker nicht sagen. Das lasse sich nicht in Prozentsätzen beziffern, sagt der Geschäftsführer des Vereins. Aber als Faustregel könne gelten, dass der Verlust um so höher ist, je näher die Antenne am eigenen Grundstück ist. Verglichen mit anderen wertmindernden Faktoren habe ein Mobilfunkmast aber nur einen vergleichsweise geringen Einfluss auf den Preis, sagt Wecker. Denn die Antennen seien objektiv betrachtet lediglich eine optische Beeinträchtigung. „Der Rest“, also die Frage, ob sich Mobilfunkmasten negativ auf die Gesundheit auswirken, sei „Glaubenssache“.

Und wie ist es bei vermieteten Objekten? „Hier spielt der Ertragswert keine Rolle“, sagt Wecker. Das bedeutet, dass Mieter wegen eines Mobilfunkmasts vor ihrem Fenster keinen Anspruch auf eine Mietminderung haben.

Auch Kindergärten und Spielplätze sind potenzielle Negativfaktoren

Das gleiche gilt für Spielplätze, Kindergärten oder auch große Straßen. Also kurz zusammengefasst: „Für alles, was die Gesellschaft benötigt, aber niemand vor der eigenen Haustür haben möchte“, sagt Wecker. Das alles wirke sich potenziell negativ auf den Preis des zu verkaufenden Eigenheims aus. Kinderlachen sei zwar Zukunftsmusik, sagt Wecker, und Angebote für die Kleinen in der nahen Umgebung können den Wert einer Immobilie sogar steigern. Aber einen Spielplatz oder Kindergarten direkt nebenan wolle kaum einer haben. Den größten Einfluss auf den Preis haben nach Weckers Einschätzung Windräder. Die seien aber in Stuttgart kein Thema.

Immobilienmakler schätzen die Situation ähnlich ein. „Einen Mobilfunkmasten ums Eck halte ich für einen Negativpunkt und wertmindernd für ein Haus oder ein Grundstück“, sagt eine im Bezirk Vaihingen tätige Vertreterin. Manch einer reagiere empfindlich auf die Strahlen, die von solchen Antennen ausgehen. „Das möchte nicht jeder ertragen“, so ihre Erfahrung. In Prozenten könne sie die Wertminderung für eine Immobilie aber auch nicht beziffern.

Wie wirkt sich der Bau von Flüchtlingsunterkünften aus?

Ein heikles Thema bei der Frage nach dem Wertverlust von Immobilien ist der Bau von Flüchtlingsunterkünften. Ulrich Wecker warnt davor, alles von der Asylunterkunft bis zum Mobilfunkmast in einen Topf zu werfen. Aber ja, auch wenn eine Flüchtlingsunterkunft direkt neben dem Eigenheim entstehe, könne das den Verkaufspreis mindern. Jedoch: „Ich bin glücklich und überrascht zugleich, dass in jüngerer Zeit der Bau von Flüchtlingsunterkünften keine wesentliche Rolle bei der Vermarktbarkeit von Immobilien gespielt hat. Die Unterkünfte sind gut in der Stadt angekommen“, sagt der Geschäftsführer von Haus und Grund.

Anfang der 1990er Jahre seien der Protest und die Ressentiments gegenüber solchen Einrichtungen viel größer gewesen. Fakt ist: „Wenn wir gefragt werden, was man gegen den Bau von Flüchtlingsunterkünften vor der eigenen Haustür machen kann, müssen wir zu diesem Thema beraten. Egal, wie wir politisch dazu stehen“, sagt Wecker. Doch in jüngererer Zeit habe es kaum Anfragen gegeben, worüber Wecker „froh“ ist.