Die Mietpreisbremse stößt bei vielen Kommunen auf Widerstand. Sie kritisieren die Methodik, wie das Land diese „angespannten Wohnungsmärkte“ ermittelt hat und bezweifeln, dass bei ihnen eine Mietpreisbremse überhaupt nötig ist.

Stuttgart - Der Gemeinderat hat in seiner Sitzung am 23. Juli die Aufnahme Heidelbergs in die Gebietskulisse begrüßt und einstimmig eine positive Stellungnahme der Stadt beschlossen.“ Dieses Votum ist definitiv nicht die Regel. Die Mietpreisbremse, die das Land per Rechtsverordnung umsetzen möchte, ist kein Selbstläufer. Leimen, Sandhausen und Eppelheim, in direkter Nachbarschaft Heidelbergs, wollen zum Beispiel Widerstand gegen den Vorstoß des Landes leisten. Bis zum 10. August bestand die Gelegenheit, zu dem Entwurf Stellung zu nehmen. Von den 68 betroffenen Städten und Gemeinden haben 58 reagiert, sagt eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums. Eine Äußerung sei von einer Kommune eingegangen, die gar nicht auf der – bisherigen – Liste steht.

 

Am 1. Juni hatte der Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) den Entwurf der Verordnung vorgestellt. Die Mietpreisbremse ist eigentlich eine Idee der Großen Koalition in Berlin. Sie hat festgelegt, dass in Regionen mit angespanntem Wohnungsmarkt bei der Wiedervermietung einer Wohnung die Miete höchstens zehn Prozent über dem Niveau der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf. Die Länder wurden ermächtigt, Regionen mit angespanntem Wohnungsmarkt festzulegen. Genau das hat das Land getan und 68 Städte und Gemeinden in die sogenannte Gebietskulisse aufgenommen.

Die Herleitung über Zensusdaten können viele nicht nachtvollziehen

Schon wie das geschah, ist etlichen Kommunalpolitikern suspekt. Wo die Verordnung gelten soll, wurde statistisch-rechnerisch ermittelt. Zum einen wurde aus den Daten des Statistischen Landesamtes vom Zensus 2011 der Versorgungsgrad mit Wohnungen ermittelt. Hat der Zensus in einem Ort mehr Haushalte als Wohnungen festgestellt, sei von einer Unterversorgung auszugehen, lautete die Hypothese. Bei diesem Abgleich gerieten 128 der 1102 Kommunen im Land ins Visier. Als weiteres Kriterium wurde der Anteil der Warmmiete am monatlichen Haushaltsnettoeinkommen herangezogen und mit dem Landesdurchschnitt verglichen. Im Land beträgt diese Quote 18 Prozent. Wo sie höher liegt, droht die Mietpreisbremse.

Diese Herleitung ist für viele Kommunen nicht nachvollziehbar. Das hat mehrere Gründe. Gerade größere Städte bezweifeln die Qualität des Zensus von 2011. Der Städtetag hat die Verärgerung der Städte in Klagen gegen die Ermittlung der Volkszählungs-Ergebnisse kanalisiert. Die sind anhängig. Man darf sich nun nicht wundern, dass die betroffenen Städte aus dem umstrittenen Datenmaterial abgeleitete Folgerungen ebenfalls in Zweifel ziehen.

Etliche Gemeinden halten die zugrunde gelegten Zahlen für veraltet

Ein weiterer Einwand ist, dass diese vor mehr als vier Jahren erhobenen Zahlen inzwischen veraltet seien. Etliche Gemeinden verweisen in ihrer Stellungnahme darauf, dass sie seither Wohnbauprojekte verwirklicht hätten. Dadurch habe sich der Markt verändert. Vor allem die Bürgermeister und Gemeinderäte von Kommunen, die knapp unter der hundertprozentigen Versorgung mit Wohnraum liegen, weisen darauf hin. Möglingen (Landkreis Ludwigsburg) etwa hat den Berechnungen zufolge einen Wohnungsversorgungsgrad von 99,21 Prozent, liegt also 0,79 Prozent zu tief – und findet sich in der Liste, die Kreisstadt Ludwigsburg aber nicht. Rheinstetten (Landkreis Karlsruhe) kommt auf ähnliche 99,20 Prozent und soll künftig mietpreisgebremst werden – nicht so das benachbarte Ettlingen.

Die Kommunen kritisieren auch den Vergleich mit dem örtlichen Mietpreisniveau. Nur die wenigsten haben einen Mietpreisspiegel. Einen solchen zu erstellen, ist ihnen zu teuer. Selbst Karlsruhe hat erst seit 2013 ein solches Instrument. Wer gegen die Ermittlungen der Gebietskulisse argumentieren will, müsste Geld für ein Gutachten ausgeben und aufzeigen, dass die örtlichen Mieten andere sind als die vom Land mitunter aus Vermietungsanzeigen ermittelten. Linkenheim-Hochstetten (Landkreis Karlsruhe) zum Beispiel hat darauf verzichtet und nimmt die Mietpreisbremse halt hin, obwohl der Gemeinderat sie für ungeeignet hält.

Die Reutlinger Gemeinderäte befürchten Standortnachteile

Einige Gemeinderäte befürchten einen Standortnachteil gegenüber Nachbarorten, die nicht in der Regulierungskulisse liegen. Reutlingen zum Beispiel. Dort hat der Gemeinderat mit bürgerlicher Mehrheit die zuvor anders gestimmte Stadtverwaltung aufgefordert, der Aufnahme der Stadt in den Geltungsbereich der Mietpreisbremse zu widersprechen.

Auch Offenburg ist dafür vorgesehen, sieht sich dort aber „völlig falsch eingeordnet“. Man denke grundsätzlich, der Geltungsbereich der Verordnung solle nach landesweit einheitlichen Kriterien, „jedoch letztendlich durch die Kommunen selbst vorgenommen werden“. Das schlagen auch die kommunalen Spitzenverbände vor. Offenburg geht in seiner Kritik am Land aber noch einen Schritt weiter: Auch der Verordnungsgeber habe Maßnahmen zur ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen nachzuweisen. „Konkret sehen wir für Baden-Württemberg die Notwendigkeit einer deutlichen Erhöhung der Landesmittel für die Förderung des (sozialen) Wohnungsbaus“, heißt es dort. Das würde den Wohnungsmarkt deutlich stärker entlasten als aktuelle Änderungen im Mietrecht.

Wie es mit der Verordnung weitergeht, ist noch offen. Ob die Einwendungen sich niederschlagen, „muss man sehen“, heißt es im Wirtschaftsministerium. Das Kabinett muss sich auf jeden Fall noch einmal über den endgültigen Text beugen.

Was sagen Mieter und Vermieter zur Mietpreisbremse?

Der Deutsche Mieterbund Baden-Württemberg begrüßt die Einführung der Mietpreisbremse „in den Brennpunkten des Wohnungsbedarfes“. Er sieht aber einen „deutlichen Verbesserungsbedarf“. Denn „die Gebietskulisse, für die die Verordnung gelten soll, hat viele Lücken“. Dass Städte wie Ludwigsburg, Leonberg, Esslingen, Böblingen und Waiblingen sich nicht darin finden, verwundert den Verband, ebenso wie das Nichterscheinen von Ostfildern oder Leinfelden-Echterdingen auf der Liste. Dass die Mietpreisbremse ein Investitionshemmnis sei, glaubt der Mieterbund nicht. „Wer neu baut oder in eine bestehende Immobilie erhebliche Investitionen tätig, ist bekanntlich von der Mietpreisbremse nicht betroffen“, so der Mieterbund. „Wir sind davon überzeugt, dass die Mietpreisbremse nicht hilft, neuen Wohnraum zu schaffen“, sagt hingegen der Reutlinger Haus&Grund-Chef Uwe Alle. Von der Mietpreisbremse würden „nur diejenigen profitieren, die bislang gut verdienen und sich dann mehr Wohnung für weniger Geld leisten können“. Diejenigen, „für die dringend etwas getan werden muss, erreichen wir mit dieser Maßnahme nicht“. Die Bremse sei ein Placebo, „das über politische Fehlesteuerungen der letzten Jahre hinwegtäuschen soll“. Die Diskussion um die Mietbremse habe manchen Vermieter erst aus dem Dornröschenschlaf geweckt. Wegen der Verunsicherung habe es in den letzten Monaten so viele Mieterhöhungen gegeben wie nie.