Bei „Hart aber fair“ plädieren Hubertus Heil (SPD) und Ricarda Lang (Grüne) für einen Eingriff der Politik bei der Miethöhe. Dagegen will Tilman Kuban von der Jungen Union die Wohnungsnot vor allem marktwirtschaftlich lösen.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Berlin - Die Wohnungsnot zumindest in den Städten wird immer schlimmer, viele Menschen haben große Sorgen, entweder keine Unterkunft mehr zu finden oder sie nicht mehr bezahlen zu können. In Berlin gärt es derzeit wohl am heftigsten: Zuerst hat das Bundesverfassungsgericht im April dieses Jahres den dort geltenden Mietdeckel für verfassungswidrig erklärt, jetzt wird am 26. September ein Volksentscheid darüber abgehalten, ob die großen Immobilienunternehmen enteignet werden sollen – die Sympathie dafür ist bei den Bürgern groß.

 

Und was sagt die Politik zu diesem drängenden Problem? Das konnte man an diesem Montag (13. September 2021) bei Frank Plasbergs Talkrunde „Hart aber fair“ erfahren. Und so lauten die Positionen der Parteien: Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) will keinen Mietendeckel mehr einführen, aber er halte es für richtig, den Mietern in angespannten Wohngegenden eine „Atempause“ zu verschaffen; konkret sollen die Mieten nicht stärker steigen als die Inflationsrate. Das wäre zumindest ein Mietendeckel light.

Mietendeckel in Berlin führte zum Absinken des Wohnungsangebots

Ricarda Lang, die stellvertretende Bundesvorsitzende der Grünen, ist ähnlicher Ansicht, wurde in der Sendung aber konkreter: Die jährliche Mieterhöhung dürfe bei höchstens 2,5 Prozent liegen.

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Tilman Kuban, der Bundesvorsitzende der Jungen Union, hält dagegen einen Mietendeckel, in welcher Form auch immer, für falsch. Dieser habe in Berlin nicht funktioniert, was Moderator Frank Plasberg tatsächlich durch Zahlen untermauerte: Das Angebot an Wohnungen sei nach Einführung des Mietendeckels um 30 Prozent gesunken; allerdings wurden die Mieten um knapp acht Prozent billiger. Kuban ist deshalb der Meinung, dass viel mehr gebaut werden und dass der ländliche Raum digital und verkehrstechnisch besser angebunden werden müsse – dann zögen nicht so viele Menschen in die Städte.

In London zahlt man bis zu 3000 Euro für eine mittelgroße Wohnung

Rainer Hank, der frühere Leiter der Wirtschaftsredaktion der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, pflichtete Kuban bei: Politische Eingriffe in den Wohnungsmarkt seien meistens kontraproduktiv. Das Problem lasse sich nur lösen, indem man das Angebot ausweite. Die ARD-Journalistin Julie Kurz, die lange in London gelebt hat, verwies darauf, dass das Ende der Fahnenstange bei den Mieten womöglich noch nicht erreicht sei: In London habe man für eine 80-Quadratmeter-Wohnung bis zu 3000 Euro monatlich bezahlt. In der Innenstadt gebe es dort deshalb keine gute Durchmischung der Bevölkerung mehr; dort lebten nur noch Reiche.

Tatsächlich waren sich alle in diesem Punkt einig: Man müsse viel mehr neue Wohnungen bauen. Das Ziel liegt laut Politik und Immobilienwirtschaft bei 400 000 Wohnungen im Jahr in Deutschland; im vergangenen Jahr hatte man 306 000 erreicht – das war die höchste Zahl seit Jahrzehnten. Dennoch hat sich die Wohnungsnot in den vergangenen Jahren weiter verschärft. Julie Kurz kritisierte die Große Koalition, die dem Thema zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt habe. Auch die große Wohnbauoffensive sei eine Pleite gewesen.

Für Geringverdiener gibt es immer weniger Sozialwohnungen

Besonders wichtig sei es daneben, mehr Sozialwohnungen zu bauen; auch darin gab es eine weitgehende Übereinstimmung. Denn es ist eine Tatsache, dass die hohen Mieten Geringverdiener in brutaler Weise treffen. Ricarda Lang forderte konkret eine Million neue Sozialwohnungen. Auch Hubertus Heil bezeichnete es als Fehler, dass sich der Staat in der Vergangenheit aus dem sozialen Wohnungsbau zurückgezogen habe. Derzeit fielen jährlich 43 000 Wohnungen aus der Sozialbindung, aber nur 22 000 kämen neu hinzu.

Um den Neubau anzukurbeln, sei es aber auch wichtig, dass Baugenehmigungen deutlich schneller erteilt würden – auch darin war man sich im Prinzip einig. In Köln liege die Bearbeitungsdauer derzeit bei acht bis zwölf Monaten, sagte Moderator Frank Plasberg; das sei viel zu lang. Tilman Kuban warb für die Idee, dass die Bearbeitung nicht länger als zwei Monate dauern dürfe; sonst gelte der Antrag automatisch als genehmigt. Daneben schlug er vor, dass beim Erwerb des ersten selbst genutzten Eigenheims keine Grunderwerbssteuer anfalle; so könnten junge Familien leichter Eigentum erwerben.

Mit seriell hergestellten Häusern könnte das Bauen schneller gehen

Hubertus Heil nahm auch die Bauwirtschaft in die Pflicht: Diese habe es versäumt, Angebote des seriellen Bauens mit vorgefertigten Elementen zu entwickeln; dabei könnte man auf diese Weise viel schneller und günstiger bauen.

Nicht gesprochen wurde in der Sendung darüber, dass verstärktes Bauen auch einen größeren Flächenverbrauch nach sich zieht, der Probleme beim Artenschutz und eventuell auch beim Klimaschutz hervorrufen könnte. Im Moment hat der Wohnungsbau absolute Vorfahrt – trotzdem bleibt die Verzweiflung vieler Mieter groß.