Nicht einmal sieben Euro Miete pro Quadratmeter sind in Stuttgart möglich – Genossenschaften spielen dabei eine wesentliche Rolle. Unter den günstigen Anbietern sticht die Landesbaugenossenschaft (LBG) Württemberg hervor. Doch auch Mieter in einer Genossenschaft treffen Modernisierungen.

Stuttgart - Die Situation am Stuttgarter Wohnungsmarkt ist angespannt. Im Schnitt gehen bereits 28,8 Prozent eines Nettogehalts für die Miete drauf. Das Mietspiegelniveau ist zwischen 2014 und 2016 um sechs Prozent gestiegen. Mit 8,95 Euro pro Quadratmeter (2006 waren es noch 6,80 Euro) liegt Stuttgart bei den Bestandsmieten hinter München und Frankfurt auf Platz drei.

 

Signifikant ist die Differenz zwischen Bestandsmieten und den Preisen für neu zu vergebende Wohnungen. Diese Angebotsmieten liegen um 35 Prozent höher als 2010, im zweiten Quartal 2016 betrug der Durchschnitt 11,97 Euro. Und es werde noch viel teurer, prognostiziert die Stadt, auch weil eine „überdurchschnittliche Ausweitung des hochpreisigen Segments“ erwartet wird. 43 Prozent aller Inserate im Internet verlangten mindestens zwölf Euro, nur noch jede zehnte Wohnung war günstiger als neun Euro pro Quadratmeter.

Es gibt viele Argumente für hohe Mieten

Wohnungseigentümer können viele Gründe aufführen, um hohe Mieten zu rechtfertigen: teure Grundstückspreise, unverhältnismäßige Energieeinsparungsvorschriften, gestiegene Material- und Handwerkerkosten. Argumente, die allerdings auch für die 15 ehemals gemeinnützigen Baugenossenschaften sowie den Bau- und Wohnungsverein mit ihren 24 000 Wohnungen gelten – gerade deshalb ist es ja verwunderlich, dass viele Quadratmetermieten unter 7,50 Euro anbieten.

Unter den günstigen Anbietern sticht die Landesbaugenossenschaft (LBG) Württemberg hervor, 1921 von Post- und Bahnbeschäftigten gegründet. Sie sorgt nicht nur dafür, dass rund 15 000 Menschen mit durchschnittlichen Einkommen an 50 Standorten, viele davon in Stuttgart, sehr günstig wohnen. Sie gewährt auch ein lebenslanges Wohn- und Mitbestimmungsrecht, machte Serviceangebote, die ein selbstbestimmtes Altern in vertrauter Umgebung ermöglichen und beteiligt die Genossen am Gewinn des Unternehmens.

6,50 Euro Miete im Stuttgarter Durchschnitt

Im Jahresbericht 2015 haben die Geschäftsführer, der Diplom-Volkswirt und Bankkaufmann Josef Vogel sowie der Architekt Mathias Friko, eine Durchschnittsmiete von 5,82 Euro pro Quadratmeter für ihre 5500 Wohnungen ermittelt. Mittlerweile ist die Bestandsmiete auf 5,91 Euro gestiegen. In Stuttgart, wo die LBG 2216 ihrer 5433 Wohnungen gebaut hat, liegt die Durchschnittsmiete bei gerade einmal 6,50 Euro. Kein Wunder, dass die Mitarbeiter nach einer Veröffentlichung von Wohnungsangeboten Schwerstarbeit verrichten müssen. 500 Anfragen seien keine Seltenheit, sagt Vogel. Ein Mitarbeiterteam übernimmt die Auswahl. „Wir sind für alle Bevölkerungsschichten offen“, sagt Vogel.

Wie aber ist es möglich, dass die Mitglieder, die ihren 800-Euro-Anteil an der LBG mit vier Prozent pro Jahr verzinst bekommen (ein weiteres Prozent gibt es durch die Umlage des Gewinns aus der Stromerzeugung), so wenig Miete in der Hochpreis-Metropole Stuttgart bezahlen müssen? „Wir sind eben die Guten“, sagen die Geschäftsführer. „Und wir können es beweisen.“ Man betrachte Wohnen nicht nur als Wirtschaftsgut, „sondern vor allem als Sozialgut“. Natürlich könnte man viel mehr verlangen, gerade bei Neubauten wie in der Friedhofstraße in der City, wo man elf Wohnungen für unter elf Euro pro Quadratmeter angeboten hat – obwohl auch 16 Euro möglich gewesen seien. Man bescheide sich aber mit einer geringeren Rendite als die Konkurrenz. Damit steht für die LBG-Chefs fest: „Wir sind die Mietpreisbremse.“

Die Grundstücke bleiben unberücksichtigt

Entscheidend sei, dass das Unternehmen die Kosten für den 2000 abgeschlossenen Erwerb der Grundstücke nicht auf die Miete umlege. Und es erscheint Vogel ausreichend, dass sich die Investition in eine Immobilie nicht schon nach 25, sondern erst nach 50 Jahren amortisiert. Für die Wohnungsbaugenossenschaften in Stuttgart, von denen einige ebenfalls sehr günstig sind, ist diese Zurückhaltung der Hauptgrund dafür, nun von OB Fritz Kuhn (Grüne) zu verlangen, ihnen städtische Baugrundstücke zum Vorzugspreis zu verkaufen. Das unterstützt auch die SPD.

Ein aktuelles Beispiel für nachhaltiges, bezahlbares und mitgliederorientiertes Wohnen ist das LBG-Projekt am Molchweg im Weilimdorfer Stadtteil Bergheim. Es beginnt eine auf mehrere Jahre ausgelegte Auffrischung des aus den 50er und 60er Jahren stammenden Bestandes. Er ist zwar idyllisch gelegen, aber auch überholt. Für die Stadt ist das Vorhaben schon deshalb ein Segen, weil es dem Prinzip der Innen- vor der Außenentwicklung entspricht. Auf dem luftigen Grundstück am Waldrand werden von 76 Wohnungen zwölf abgerissen und 96 neu gebaut. Es wird also kräftig nachverdichtet und aufgestockt, 20 Prozent der 96 neuen Einheiten werden der Stadt als Sozialwohnungen zur Verfügung gestellt. Außerdem baut die LBG eine dreizügige Kindertagesstätte. Das Quartier wird verjüngt, die Einwohnerzahl vervielfacht sich. 245 Millionen Euro hat die LGB seit 2004 in ihren Bestand investiert, allein 60 Millionen Euro seit 2007 in Stuttgart.

Mietgarantie in Bergheim

Mieter großer Einheiten haben oft Grund, eine Modernisierung zu fürchten, sogar in Genossenschaften. Gerade sind es die Flüwo-Mitglieder in Degerloch, die auf die Barrikaden gehen. In Bergheim haben die LBG- Sozialpädagoginnen den Genossen in persönlichen Gesprächen die Sorge genommen, nach dem Umbau barrierefreie Erschließung und Fußbodenheizung zu haben, aber auch eine explodierte Miete. Vogel sichert jedem die Rückkehr in seine sanierte Wohnung zu, oder eben eine neue für 6,90 Euro pro Quadratmeter. Das ist in Stuttgart billig, aber unter Umständen etwas mehr als bisher. Wer weiter nur 5,50 bis sechs Euro bezahlen wolle, bekomme an einem anderen Ort dieses Angebot, sagt Vogel zu. Die Energieeinsparung im Neubau gleiche den Nachteil aber mehr als aus.