Die Baulobby fordert die Ausweisung von neuem Bauland. Sie argumentiert, 50 000 fehlenden Wohnungen sei anders nicht beizukommen – und plant ein Pilotprojekt zu günstigem Mietwohnungsbau.

Stuttgart - Der Verband Immobilienwirtschaft Stuttgart (IWS) geht davon aus, dass die Wohnungsnot in Stuttgart allein mit Bauen im Bestand, wie es OB Fritz Kuhn (Grüne) propagiere, nicht beseitigt werden kann. Es fehlten mindestens 50 000 Wohnungen. Steigenden Baulandpreisen als wesentlichen Kostentreibern sei – mangels innerstädtischer Flächen – nur mit mehr Bauland Einhalt zu gebieten. Marc Bosch, der Vorstandsvorsitzende des die Immobilienbranche in der Metropolregion repräsentierenden Verbandes mit 150 Mitgliedern, sagt: „Bezahlbares Wohnen in Stuttgart ist künftig ohne Außenentwicklung nicht möglich.“ Auch die Städte und Gemeinden in der Region müssten mehr tun. Dort seien immerhin 41 Wohnungsschwerpunkte mit 600 Hektar Bauland ausgewiesen

 

Bei einem Pressegespräch, in dem es um Lösungsvorschläge für das Wohnungsproblem ging, nannte Bosch Freiflächen bei Stammheim sowie Degerloch und Neugereut als denkbare Baugebiete, wobei er betonte: „Ich denke dabei nicht an einen zweiten Fasanenhof.“ Mittlerweile sieht neben CDU, Freien Wählern und FDP auch die SPD die Notwendigkeit, auf die „grüne Wiese“ zu gehen. Vor der Kommunalwahl 2019 ist aber kein Stadtrat trotz Mehrheit willens, wie nun Marc Bosch eine für das Stadtklima bedeutende Freiflächen zu benennen.

24 000 Wohnungen auf Bestandsflächen möglich

Die Stadt verweist auf ihre Zeitstufenliste, es gebe zumindest einmal bis 2020 ausreichend Potenzial für eine Innenentwicklung. In 180 Gebieten könnten 24 000 Wohnungen entstehen; in 20 größeren seien es allein 3750 Wohnungen, zuzüglich 750 Wohnungen für Studierende.

Im Video: Wohnungsnot in Stuttgart – was sind die wichtigsten Ursachen? Wie könnte das Problem gelöst werden? Mit unserem Faktenvideo erhalten Sie den Überblick.

Nach Einschätzung des IWS bedarf es neben mehr Flächen auch einer besseren Zusammenarbeit zwischen den Städten und Gemeinden sowie der Immobilienbranche, um dem Wohnungsmangel entgegenzuwirken. Das im Sommer 2016 gegründete „Bündnis für Wohnen“ hält Bosch für einen zu groß geratenen Arbeitskreis.

Der IWS schlägt eine neue „Task Force“ aus wenigen Entwicklern und Behördenvertretern vor, die Vorschläge unterbreitet, welche Verordnungen man schleifen, welche Steuern man senken und wie man Baugenehmigungen beschleunigen könnte. Dabei kann es um Fahrradabstellplätze, Dachbegrünungen und die Pflicht gehen, Tiefgaragenplätze anbieten zu müssen.

Günstige Mietwohnung für eine Musterfamilie

Das seien die wahren Kostentreiber – bis zu 350 Euro Mietanteil pro Monat – und nicht die Bauträger (mit einem Margenaufschlag von zwölf Prozent) oder die Vermieter, die mit minimaler Verzinsung leben müssten, so Bosch. Mitglieder des IWS haben sich laut Bosch im Rahmen eines Arbeitskreises gegenseitig in die Bücher geschaut. Diese ungewöhnliche Offenheit sei aber notwendig gewesen, um die Perspektivlosigkeit einer dreiköpfigen wohnungssuchenden Musterfamilie mit Zahlen zu unterlegen, der man in einem Pilotprojekt zur Hilfe eilt. Diese Familie kann sich nur eine Nettokaltmiete von bis zu 12,30 Euro leisten. Eine normale Neubauwohnung rechne sich für den Vermieter aber erst mit 14,50 Euro Nettokaltmiete, ermittelte der Arbeitskreis Wohnen des Verbands.

Der IWS hat den Ehrgeiz nachzuweisen, dass er für 12,30 Euro pro Quadratmeter bauen kann. Dafür brauche man ein Grundstück zu Marktkonditionen in einfacher bis mittlerer Lage. Part der Partnerkommune sei, ihre „planungsrechtlichen Ermessensspielräume voll auszuschöpfen“, Aufgabe des Verbands sei es, die optimale Baustruktur für bezahlbaren Wohnraum zu erarbeiten. Das Projekt würde nach Fertigstellung an die Kommune oder einen Dritten zu Herstellkosten abgeben. Der Stuttgarter Rathausspitze wurde die IWS-Studie präsentiert – eine Rückmeldung habe es leider nicht gegeben, bedauert Bosch.