Immer weniger Einwohner, stets mehr leer stehende Wohnungen – und trotzdem wird wegen deren Umnutzung zu Ferienapartments der Wohnraum knapp: Kroatien will seine bizarre Wohnungsnot mit einer neuen Steuer bekämpfen.

Korrespondenten: Thomas Roser (tro)

Freude über die neuen „Apartman“-Schilder auf der bröckelnden Fassade ihres Hauses in Kroatiens Hauptstadt Zagreb kommt bei den entnervten Anwohnern keine auf. Gleich drei Wohnungen verstorbener oder verzogener Nachbarn wurden in dem Altbau zu Ferienapartments umgewandelt.

 

Anwohnern macht die ausufernde Zahl von Ferienwohnungen zu schaffen

„Die Leute kommen mitten in der Nacht und kriegen oft die Türe nicht auf. Sie klingeln, lärmen oder erbrechen sich gar im Treppenhaus“, erregt sich der Zagreber Vladimir Stimac gegenüber dem TV-Sender „Aljazeera Balkans“ über seine neuen Kurzzeitnachbarn: „Wir machen hier alles Erdenkliche mit.“ Doch nicht nur Anwohnern, sondern auch Wohnungssuchendem macht die ausufernde Zahl von Ferienwohnungen vor allem an der Küste, aber auch in der Hauptstadt zunehmend zu schaffen. Obwohl die Einwohnerzahl im nur noch 3,8 Millionen Seelen zählenden Adriastaat seit Jahrzehnten schrumpft und mittlerweile bereits jede vierte Wohnung nicht mehr bewohnt wird, kämpft Kroatien mit einem bizarren Wohnproblem. Die künstliche Verknappung des Angebots an bezahlbaren Wohnungen durch deren Umnutzung zu Ferienwohnungen haben Mieten und Immobilienpreise in für junge Kroaten kaum mehr bezahlbare Höhen getrieben. Die sogenannte „Apartmentisierung“ von Wohnhäusern sei „gesetzeswidrig“, erregt sich die Bürgerinitiative „Mieter gemeinsam“ in einer Petition – und fordert ein staatliches Eingreifen: „Nein zum Massentourismus! Es ist genug.“

Seit Jahren will Zagreb gesetzliche Maßnahmen ergreifen

Schon seit Jahren gelobt Zagreb gesetzliche Maßnahmen zur Eindämmung des Wildwuchs bei den Ferienwohnungen – und zur Förderung bezahlbaren Wohnraums. Doch die Regierungen wechseln, das Problem bleibt.

Das 2017 eingeführte System staatlich subventionierter Immobilienkredite (APN) hat nach Ansicht von Kritikern die Preise eher angeheizt statt gesenkt – und die eigentliche Zielgruppe kaum erreicht: Oft werden junge Berufstätige und Familien von den Banken ohnehin nicht als ausreichend kreditwürdig angesehen.

Die konservative HDZ hatte zwar mehrmals eine höhere Besteuerung der Einnahmen aus Ferienwohnungen angekündigt. Aber mit Blick auf ihre vom Tourismus lebenden Hochburgen in den dalmatinischen Küstenregionen hatte die Regierungspartei das Vorhaben immer wieder verschoben.

Doch nun will die Regierung in Zagreb endlich ernst machen – und diese Woche im Parlament eine neue Immobiliensteuer zur Debatte stellen. Die bisher „lächerlich“ geringe Besteuerung von Kurzzeitmieteinnahmen solle zumindest mit denen von langfristig vermieteten Wohnungen „gleichgestellt“ werden, erläutert Finanzminister Marko Primorac das Ziel des neuen Gesetzes.

Die Steuer beträgt 19,99 Euro pro Bett und Jahr

Bisher wurden nicht selbst bewohnte und nicht dauerhaft vermietete Ferienwohnungen in den meisten Kommunen pauschal mit 19,99 Euro pro Bett und Jahr versteuert: Für eine 100-Quadratmeter-Wohnung mit drei Schlafzimmern und sechs Betten waren so lediglich 120 Euro Jahr pro abzuführen. Mit der neuen Immobiliensteuer, die bis zu zehn Euro pro Quadratmeter betragen soll, dürfte dieser Betrag auf bis zu 1000 Euro steigen. „Mit der Vergrößerung des Angebots verringern sich die Mieten und die Immobilienpreise“, versucht Bauminister Branko Bacic seinen Landsleuten die neue Steuer schmackhaft zu machen. Kritiker bemängeln allerdings, dass nicht der tatsächliche Wert, sondern die Größe der Wohnungen die Höhe der neuen Steuer bestimme.

Andere halten Steuern ohnehin für das falsche Steuerinstrument: Sie plädieren für mehr gesetzliche Vollmachten für die Kommunen, um die Zahl von Ferienwohnungen und die für diese geeigneten Stadtteile effektiver begrenzen zu können.

Doch auch mit einer Neufassung des Gesetzes zur Wohnungsverwaltung hofft Zagreb, den Wildwuchs einzudämmen: Für den Betrieb von Ferienwohnungen in Wohnblocks und Mehrfamilienhäusern soll künftig die Zustimmung von 80 Prozent der Mitbewohner nötig sein. Die Betreiber bereits bestehender AirBnB-Herbergen müssen indes nicht um ihre Existenz fürchten: Das neue Mitspracherecht der Nachbarn hat keine rückwirkende Kraft.