In einem Haus an der Neuen Weinsteige findet ein Einbruch statt: Die Täter filmen ihren Gang durch die leeren Räumlichkeiten und stellen das Video ins Netz. Ihre Absichten sind eindeutig.
Stuttgart - Die Einbrecher finden ein Geisterhaus vor: Die Bewohner scheinen kurz ausgeflogen, das Mobiliar ist gestapelt und eingemottet. Alles wie für die nächsten Besucher vorbereitet. Die Eindringlinge suchen indes keinen Tresor – sie wollen die Räume filmen und das Video ihres Einbruchs ins Netz stellen. Die Hausbesetzerszene hat wieder einmal in Stuttgart zugeschlagen. Dabei haben sich die Aktivisten in ihrem Kampf gegen Wohnungsnot und hohe Mietpreise ein neues Objekt ausgesucht – es handelt sich um ein früheres Hotel an der Neuen Weinsteige im Stuttgarter Süden.
In welchen Kreisen die Einbrecher zu suchen sind, ist leicht zu erraten. Und auch über das Motiv des ungebetenen Besuchs musste niemand lange rätseln. Die Unbekannte hinterließen am Gebäude ein großes Transparent mit dem Motto: „Besetzen ist die halbe Miete, Kapitalismus abschaffen die ganze!“ Die Besetzerszene, die vor zwei Jahren das Wohnhaus Wilhelm-Raabe-Straße 4 ein Fünf-Parteien-Haus in Beschlag nahm, um ein politisches Signal gegen Leerstand und Wohnungsnot zu setzen, ist nun an der Weinsteige fündig geworden.
Strafanzeige statt Frauenhaus
Dass ein Hotel in Corona-Zeiten ohne Gäste dasteht, ist nicht ungewöhnlich. Die Aktivisten erklären aber, dass das Hotel schon seit Jahren nicht mehr in Betrieb sei. Allerdings starteten sie dann eher eine Hausbesetzung light. Denn die Aktivisten kamen und gingen wieder – um ihre Botschaft zu hinterlassen, dass man in dem Gebäude doch auch ein Frauenhaus unterbringen könne.
Allerdings handelt es sich gar nicht mehr um ein Hotel. Die Eigentümer haben gewechselt, und deshalb gingen Anfragen unserer Zeitung zunächst ins Leere. Die neuen Besitzer stellen klar, dass es sich um ein Haus im Umbau handele, statt eines Beherbergungsbetriebs seien Wohnungen vorgesehen. Am 25. April wurde Anzeige wegen Hausfriedensbruchs erstattet. „Der Vorgang ist bei uns bekannt“, bestätigt Polizeisprecherin Ilona Bonn. Der Fall wurde inzwischen vom Dezernat Staatsschutz übernommen. Die Aktivisten machen klar: Trotz Corona stehe die Welt nicht still. Die nächste Besetzung könne schon bald kommen.