Die SPD setzt sich durch: Im Gebiet „Schafhaus“ in Mühlhausen sollen 250 Wohneinheiten entstehen. Kritik an dieser Volte gab es von Grünen und SÖS/Linke-plus.

Stuttgart - Acht Jahre nach der damals im Rathaus als wegweisend gepriesenen Entscheidung der ökosozialen Mehrheitskoalition aus Grünen, SPD und Linken, nicht mehr auf der grünen Wiese zu bauen, erfolgte am Dienstag eine Abkehr von der nachhaltigen Stadtentwicklung: Im Rahmen der Debatte über die Zeitstufenliste Wohnen, in der die Grundstückspotenziale für 25 000 neue Wohnungen in Stuttgart vermerkt sind, beschloss man, die Planung für ein Neubaugebiet am Rande von Mühlhausen auf Ackerböden aufleben zu lassen. Die Verwaltung muss nun ein Bebauungsplanverfahren vorbereiten.

 

Im Gewann „Schafhaus“ sollen rund 250 Wohneinheiten in – zumindest für neue Stuttgarter Verhältnisse – sehr aufgelockerter Bebauung entstehen. Ein- und Zweifamilienhäuser soll es geben, daneben 80 geförderte Einheiten, davon die Hälfte Sozialwohnungen. Die Stadtgesellschaft unterstützt zudem 40 Bürger mit jeweils fünfstelligen Beträgen beim Immobilienerwerb auf bester Scholle. Möglich wurde diese Entscheidung durch die Volte der SPD. Die Sozialdemokraten hatten vor Jahren, als die Debatte über das Schafhaus erstmals Wellen schlug, eine Bebauung mit dem Hinweis auf die schwierige Erschließung abgelehnt. Jetzt stellte die SPD mit CDU, FDP und Freien Wählern einen entsprechenden Antrag. Nun soll keine neue Straße auf Kosten der Neubürger gebaut werden; diese werden durch den historischen Ortskern von Mühlhausen zu ihren Wohnungen gelangen.

SPD verteidigt ihre Kehrtwende

SPD-Fraktionschef Martin Körner begründete den Umschwung mit der dramatischen Lage auf dem Wohnungsmarkt. CDU-Chef Alexander Kotz konterte Kritik von Grünen und von SÖS-Linke plus mit dem Hinweis, das Projekt sei nie aus der Zeitstufenliste entfernt worden, es aufleben zu lassen, sei deshalb konsequent.

Die Grünen verwiesen auf die ökologische Bedeutung des Gebiets und kritisierten die geringe Dichte. Angesichts der Wohnungsnot handele es sich um Planung und Förderung „aus dem letzten Jahrtausend“. Auch Ralph Schertlen (Stadtisten) plädiert für eine intensivere Bebauung: „Wohnungsknappheit bekämpft man nicht mit Ein- und Zweifamilienhäusern.“ Christoph Ozasek (Linke) verwies auf die Verpflichtung zum „Nullflächenwachstum“ von Bund und Land. Im Schafhaus handele es sich um „privilegiertes Wohnen für wohlhabende Schichten“, um „Flächenfraß par excellence“. Urbanes Wohnen sehe anders aus.

Realisierung erst in einigen Jahren

Das letzte Wort sei noch nicht gesprochen, betonte Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne). Wichtige Kriterien wie Umweltbelange und eine ordentliche Erschließung müssten erfüllt werden. Ein schneller Einzug ins neue Häusle ist zudem nicht zu erwarten. Das Planungsverfahren dauere zwei bis drei Jahre, die Umlegung womöglich einige Jahre länger.

Einer kritischen Prüfung unterzogen die bürgerlichen Fraktionen auch die erste Bilanz des Baurechtsamts zum Zweckentfremdungsverbot. Während die Behördenchefin Kirsten Rickes mit der Arbeit von zwei neu eingestellten Beschäftigten zufrieden ist, kritisierten Vertreter von CDU, Freien Wählern und FDP die Satzung als unverhältnismäßig. Das Verbot schränke die Eigentumsrechte der Bürger ein, sagte Phillip Hill (CDU). Die Leerstände seien in Stuttgart so gering, dass sich deren Erforschung erübrige. Ins selbe Horn stößt der Vorsitzende von Haus & Grund, der ehemalige Erste Bürgermeister Klaus Lang. Vor allem die Behauptung Rickes, die Stadt habe durch die im Rahmen der Verbotsüberwachung genehmigte Zweckentfremdung von 20 000 Quadratmetern bereits 40 000 Quadratmeter neuen Wohnraum gesichert, stieß bei den Kritikern auf Unverständnis. Wer abreiße, tue dies, „um wieder neu zu bauen“, konterte CDU-Chef Kotz Rickes Hinweis, sie habe die Eigentümer zum Bau binnen drei Jahren verpflichtet. SPD und SÖS-Linke plus halten die Satzung für sinnvoll, bei der die Beratung im Vordergrund stehe. Sie befürworten, dass die Stadt unsicheren Eigentümern Mietgarantien zusichere.