Bewohner des Bezirks Stuttgart-Birkach appellieren an Eigentümer, freien Wohnraum zu vermieten und nicht leer stehen zu lassen. Doch: Wie viel würde das unter dem Strich wirklich bringen? Eine Spurensuche.

Birkach - Marode Türen und Fenster, zugeklebte Briefkästen, unbeschriftete Klingelschilder – an der Alten Dorfstraße in Stuttgart-Birkach findet man auf Anhieb ein paar Häuser, die den Anschein erwecken, als würde dort schon lange niemand mehr wohnen. In der Stadtteil-Zeitung „Birkacher Notizen“ appellieren die Herausgeber im Dezember an Eigentümer, Häuser und Wohnungen zu vermieten. „Da nun die Bebauung des Birkacher Felds wieder ins Auge sticht, wäre es doch eine gute Idee, erst einmal die vielen Leerstände im Ort dem Wohnungsmarkt zugänglich zu machen, bevor neues Bauland erschlossen wird“, heißt es.

 

Doch stehen in Birkach tatsächlich so viele Wohnungen leer? Die Bezirksvorsteherin Andrea Lindel meint dazu: nein. Es gebe zwar an der Alten Dorfstraße einige Häuser, in denen früher zwei Familien lebten, heute hingegen nur noch eine. „Aber sie sind ja nicht verpflichtet, den Rest des Hauses zu vermieten“, sagt Andrea Lindel. Die Stadt Stuttgart teilt auf Anfrage mit, sie habe den Eindruck, dass in Stuttgart viele Objekte leer stünden. Birkach sei aber nicht stärker betroffen als andere Bezirke. Eine konkrete Zahl nennt der Haus- und Grundbesitzerverein. Demnach stehen in Stuttgart etwa drei Prozent aller Wohnungen leer. Das sei nicht wenig, in den meisten Fällen aber zwingend notwendig. Denn ein Großteil sei der sogenannte Fluktuationsleerstand, der zwischen zwei Mietverhältnissen entstehe. Dass ein Vermieter einfach keine Lust habe, zu vermieten, das gebe es dagegen sehr selten. Leerstände über mehrere Monate hinweg seien in der Regel Renovierungsarbeiten geschuldet.

Etwa drei Prozent aller Wohnungen in Stuttgart stehen leer

Auf den Leerstand zu setzen, um etwa gegen den chronischen Wohnraummangel in der Landeshauptstadt vorzugehen, dürfte also schwierig werden. Das hat die Stuttgarter Stadtverwaltung bereits in ihrem Wohnungsmarktbericht im Jahr 2019 dargelegt. Demnach liegt der Anteil der leer stehenden Wohnungen und Häuser, die unmittelbar vermietbar oder mittelfristig aktivierbar sind, bei 0,6 Prozent. „Der Abbau von Wohnungsleerständen kann somit keinen Beitrag für die Entlastung des Wohnungsmarktes leisten“, heißt es in dem Bericht.

In Birkach gibt es aber eine weitere Möglichkeit, wie der bestehende Wohnraum für mehr Menschen genutzt werden könnte: „Viele Leute hätten das Potenzial, einen Teil ihres Hauses zu vermieten“, sagt Ulrich Fellmeth vom Aktionsbündnis Birkacher Feld. Die Gruppe engagiert sich gegen die Bebauung der Freifläche, die jüngst wieder in die Diskussion geraten war. Fellmeth selbst habe vor einiger Zeit sein Haus etwas umgebaut, damit ein Student bei ihm einziehen konnte.

Das Birkacher Feld vor Bebauung schützen

Laut Wohnungsmarktbericht der Stadt ist der Wohnraum pro Kopf in den vergangenen Jahren gesunken. Eigentümer verfügen demnach im Jahr 2019 über durchschnittlich 50 Quadratmeter pro Person, Mieter über 37,5 Quadratmeter.

Ulrich Fellmeth würde sich wünschen, dass einige Birkacher seinem Beispiel folgen und vorhandenen Wohnraum anderweitig zur Verfügung stellen. Das Birkacher Feld vor einer Bebauung schützen, könne man damit jedoch kaum.

Dort wäre laut Schätzung der Stuttgarter Stadtverwaltung Platz für 3600 Wohnungen. Als Mitglied des Aktionsbündnisses hält Ulrich Fellmeth vehement dagegen. „Wir haben auf dem Pallotti-Areal so viel Wohnraum geschaffen, da liegt es nicht in der Verantwortung von Birkach, auf dem Birkacher Feld noch mehr Wohnungen für die Gesamtstadt zu bauen“, sagt Ulrich Fellmeth.