Bereits vor dem Ausbruch der Coronavirus-Pandemie war es in Stuttgart schwierig, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Nun hat sich die Situation weiter verschlechtert. Stuttgarter Immobilienmakler versuchen, etwa mit virtuellen Rundgängen gegenzusteuern.

Digital Desk: Sebastian Xanke (xan)

Stuttgart - Wer in diesen Tagen in Stuttgart eine Wohnung sucht, braucht Durchhaltevermögen. Denn die Landeshauptstadt gilt seit Ende 2019 nicht nur als teuerste Großstadt Deutschlands, sondern hat jetzt zusätzlich mit den Folgen der Coronavirus-Pandemie zu kämpfen. Die Besichtigungen seien „massiv heruntergefahren worden“, heißt es etwa vom Immobilienverband Deutschland (IVD) Süd auf Anfrage unserer Zeitung. „Es herrscht ein Abwarten.“ Der IVD Süd vertritt die Interessen von rund 1600 Mitgliedsunternehmen aus Baden-Württemberg und Bayern, darunter Immobilienmakler und weitere Sachverständige in dem Bereich.

 

In Stuttgart gehen Immobilienfirmen unterschiedlich mit der neuen Situation um. So laden Immobilienmakler in einigen Fällen zwar zu einer Besichtigung der inserierten Wohnung ein, merken jedoch an, dass es lediglich möglich sei, das Objekt von außen zu betrachten. Denn vielen Menschen, deren Wohnung neu vermietet werden soll, sei ein Besuch von Fremden in den eigenen vier Wänden derzeit nicht recht. Immerhin: Bilder der Wohnung gebe es auch vor der Wohnung präsentiert.

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„Manche nehmen uns das persönlich“

Einen anderen Weg wählt das Unternehmen Eurich Immobilien. „Für unsere Besichtigungen haben wir bestimmte Regeln aufgestellt, die alle Beteiligten schriftlich bekommen“, sagt Immobilienmakler Rolf Eurich. Dazu gehöre zum Beispiel, dass Unterlagen nicht mehr persönlich, sondern digital ausgetauscht und Gegenstände bei der Wohnungsbesichtigung nicht angefasst werden sollten. Es gibt auch Unterschiede bei der Taktung: Termine werden nur noch zur vollen oder halben Stunde angeboten. „Konkret bedeutet das, dass wir an einem Tag zum Beispiel drei Stunden Zeit haben für Wohnungsbesichtigungen – das sind etwa sechs Leute.“ Vielen Anfragen hätte Eurich Immobilien deshalb schon mit der Begründung absagen müssen, dass „das Zeitfenster ausgeschöpft“ ist.

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Um etwa 80 Prozent weniger Termine verzeichnen die Königskinder Immobilien. Auch dort gebe es spezielle Regeln für Wohnungsbesichtigungen. Mundschutz und Handschuhe würden dabei zur Standardausstattung gehören. Vom Coronavirus besonders gefährdete Menschen, wie über 60-Jährige, spreche Königskinder außerdem direkt an, ob sie das Risiko einer Besichtigung eingehen wollen. „Manche nehmen uns das persönlich. Und von anderen haben wir die Reaktion bekommen, das sei doch alles übertrieben. Es sei ja nicht schlimmer als eine Grippe“, so das Immobilienunternehmen. „Aber wir nehmen das ernst. Das ist eine Vorsichtsmaßnahme gegenüber unseren Kunden.“

Von der Couch zum virtuellen Rundgang

Einen gänzlich anderen Ansatz verfolgt Tolias Immobilien. Die Firma bietet virtuelle Rundgänge durch inserierte Wohnungen an. Das sei bei fast jeder Immobilie möglich, sagt Geschäftsführer Julian Tolias. „Da kann man sich ein sehr gutes Bild der Wohnung von der Couch aus machen.“ In jedem Raum der entsprechenden Wohnung ist zu diesem Zweck eine 360-Grad-Kamera aufgestellt, die es dem Interessenten ermöglicht, sich in den jeweiligen Zimmern umzuschauen. In den darauffolgenden Schritten sei dann auch eine persönliche Besichtigung der Wohnung möglich. Was dabei laut Tolias ebenfalls nicht fehlen darf, sind Mundschutz und Handschuhe, die an die Beteiligten verteilt werden.

„Bei vermieteten Wohnung welche verkauft werden sollen warten wir momentan aber noch etwas ab mit den Besichtigungen – zumindest so lang, bis die Läden wieder offen haben.“ Für Mieter, deren Wohnung frisch vermietet werden soll, ist das eine ungewöhnliche Situation, allerdings: „Gerade größere Familien, die jetzt in kleinen Wohnungen leben und nach mehr Platz suchen, freuen sich über diese Maßnahmen“, sagt Tolias.

Bedeutet das, Menschen, die eine Wohnung suchen, sollten sich notfalls auf Bilder und virtuelle Rundgänge verlassen? Vom Immobilienverband Süd kommt dazu ein klares Nein: „Ohne eine ordentliche Besichtigung bei der man vor Ort ist, eine Wohnung zu mieten oder zu kaufen, ist wie ein Autokauf, ohne mit dem Auto gefahren zu sein. Das ist keine gute Idee.“ Was also bleibt? Weniger Besichtigungen unter strengen Auflagen oder eben das Gebot der Stunde: abwarten.