Dieser Tage warten in Stuttgart knapp 700 Flüchtlingsfamilien auf eigene Wohnungen. Dass ihnen Unvermietbares vermietet wird, kommt offenbar immer wieder vor. Es ist aber ein Problem, mit dem nicht nur Flüchtlinge konfrontiert sind.

Plieningen/Stuttgart - Hinter den Sofas im Wohnzimmer: Schimmel. Unterm Vorhang im Schlafzimmer: Schimmel. Im Badezimmer: Schimmel. Gesund kann das nicht sein, doch eine siebenköpfige Familie aus Afghanistan lebt seit September 2020 in Plieningen in diesen Verhältnissen. Eine Heizung gibt es nicht, die Dusche ist laut der Familie kalt. Der Vermieter sagt, Schuld am massiven Schimmelbefall ist allein fehlerhaftes Lüften. Die Mieter wiederum werden das Gefühl nicht los, dass ihre Not, nach fünf Jahren aus der Asylunterkunft in Degerloch herauszuwollen, ausgenutzt worden sein könnte.

 

Wer schuld ist am Schimmel-Debakel, ist für Außenstehende schwer zu beurteilen. Fakt ist aber: Dass Asylbewerbern unvermietbare Wohnungen vermietet werden, kommt vor. Sinah Ammann ist Sozialarbeiterin in Plieningen und hat das schon erlebt. WG-Zimmer für Singles seien oft „extrem überteuert, da werden die Mietgrenzen ausgereizt und hohe Nebenkosten draufgeschlagen“. Auch vermietete Kellerräume und dubiose Verträge gebe es. Wo Jobcenter und Sozialamt involviert seien, werde zumindest geprüft, ob Kaltmiete und Nebenkosten realistisch seien. Bei Privatvermietungen seien Suchende aber auf sich gestellt. „Oft haben die Menschen nicht die Möglichkeit, sich zu wehren, oder sie kennen ihre Rechte nicht“, sagt sie. „Da wird viel ausgenutzt.“

Es trifft auch deutsche Familien oder Studenten

Neu ist das Phänomen nicht, und es trifft auch deutsche Familien oder Studenten. Andrea Lindel, die Bezirksvorsteherin von Plieningen und Birkach, hat lange Jahre im Sozialamt gearbeitet. Sie hat die Erfahrung gemacht, „dass es schon immer wieder Immobilien gibt, die grenzwertig sind. Das gab es immer“. Solange der Wohnungsmarkt so angespannt sei, werde sich das wohl nicht ändern. Vieles bleibe bei Privatvermietungen im Dunklen. „Das kommt nur raus, wenn die Leute beim Jobcenter oder beim Sozialamt sind und erzählen. Dann kann man die Leute bestärken, zum Mieterschutzbund zu gehen oder einen Wohnberechtigungsschein zu beantragen“, sagt sie.

Monika Althoff spricht nicht von einem Asylbewerber-, sondern einem Stuttgart-Problem. „Alles ist überteuert“, erklärt die Ehrenamtliche, die sich für Flüchtlinge in Möhringen engagiert. „Es ist einfach schwer, und es ist für alle anderen schwer“, sagt sie. Dieser Tage warten in Stuttgart knapp 700 Flüchtlingsfamilien auf eigene Wohnungen. Und sie sind längst nicht allein. Ende 2019 standen auf der städtischen Vormerkliste für eine Sozialwohnung insgesamt etwa 4600 Familien. Aktuelle Daten liegen noch nicht vor, aber „es ist davon auszugehen, dass die Zahlen in einer ähnlichen hohen Größenordnung liegen“, sagt Nora Lenz-Gaspary, eine Sprecherin der Stadtverwaltung.

Familie soll nicht allein gelassen werden

Das Gros der Sozialwohnungen stelle das städtische Tochterunternehmen SWSG, erklärt sie, zudem hätten etliche Baugenossenschaften oder Wohnungsbauunternehmen mit einem genossenschaftlichen oder sozialen Ansatz Sozialmietwohnungen. „Diese sind alle in einem altersgerechten guten Bauzustand“, sagt Nora Lenz-Gaspary. Gudrun Nitsch vom Freundeskreis Flüchtlinge Stuttgart-Vaihingen sieht die besten Chancen für Bedürftige, an eine brauchbare Unterkunft zu kommen, über persönliche Tipps. Das bestätigt auch Hans-Martin Ehmann vom Freundeskreis Degerlocher Flüchtlinge. „Ich glaube, dass man ein gutes Netzwerk braucht“, sagt er. Von schlechten Erfahrungen mit miesen Wohnungen kann er nicht berichten. „Ich habe eher den Eindruck, dass man zusammenhält. Da ist viel Gutes hier oben“, sagt er über die Fildergegend.

Auch die siebenköpfige afghanische Familie soll laut der Stadt-Sprecherin nicht allein gelassen werden. Sollte ihre Wohnung aufgrund des Schimmelbefalls unbewohnbar sein und die Familie den ausdrücklichen Wunsch äußern, untergebracht zu werden, wäre das Sozialamt bereit, in diesem Fall die Familie in einer Gemeinschaftsunterkunft für geflüchtete Menschen einzuquartieren.