Die ehemaligen Jugendtrainer Hannes Wolf und Domenico Tedesco begegnen sich erstmals in der Fußball-Bundesliga. Ein Vergleich.

Sport: Gregor Preiß (gp)

Stuttgart - Julian Nagelsmann steht bei vielen in der Branche im Moment kurz vor der Heiligsprechung. Der mit 30 Jahren jüngste Übungsleiter der Bundesliga ist eloquent und erfolgreich. Längst wird der Hoffenheimer als künftiger Trainer vom FC Bayern München oder Borussia Dortmund gehandelt. Doch Vorsicht! Die Halbwertszeit in diesem Geschäft ist kaum länger als ein Grashalm, schon morgen werden womöglich die nächsten Super-Trainer gefeiert. Zwei aussichtsreiche Kandidaten sind vor dem Duell am Sonntag (18 Uhr) Domenico Tedesco (31) vom FC Schalke und Hannes Wolf (36) vom VfB Stuttgart. Nach Nagelsmann sind sie die derzeit jüngsten Chefcoaches der Fußball-Bundesliga. Ein Vergleich.

 

Erfolge

Weder Hannes Wolf noch Domenico Tedesco haben es als Spieler bis in die höchste Spielklasse geschafft, wobei das für fünf weitere Kollegen (Nagelsmann), Markus Gisdol (HSV), Andries Jonker (VfL Wolfsburg), Alexander Nouri (Werder Bremen) und Sandro Schwarz (Mainz 05) genauso gilt. Der Deutsch-Italiener Tedesco kickte mit dem ASV Aichwald in der Kreisliga, Hannes Wolf erlebte seine fußballerischen Höhepunkte beim Dortmunder Vorortclub Aplerbecker SC und der zweiten Mannschaft des 1. FC Nürnberg, ehe ihn Verletzungen und Pfeiffersches Drüsenfieber ausbremsten.

Als Trainer ging es dafür umso steiler nach oben: Der studierte Wirtschaftsingenieur Tedesco machte sich in der Jugend beim VfB einen Namen, Wolf als dreifacher deutscher Meister mit den B- und A-Junioren von Borussia Dortmund. Beide kennen und schätzen sich, 2015 standen sie sich in Großaspach im U-17-Finale gegenüber. Die Jungs vom BVB, von Sportdirektor Michael Zorc als „Ausnahmemannschaft“ gepriesen, fertigten den kleinen VfB mit 4:0 ab. Tedesco vermisste beim VfB die Wertschätzung und machte über 1899 Hoffenheim und Erzgebirge Aue seinen Weg. Wolf sammelte in Stuttgart seinen vierten Titel als Trainer: Die Zweitliga-Meisterschaft. Jetzt ist er ganz oben angekommen – zurecht, wie Sportvorstand Michael Reschke findet: „Hannes Wolf ist ein Trainer für die Bundesliga.“

Spielverständnis

Mehmet Scholl hätte die beiden vor wenigen Jahren vermutlich noch als Laptop-Trainer beschimpft. Mittlerweile wird taktisches Verständnis in der Branche aber höher geschätzt als die Zahl der Länderspiele. In diesem Punkt schenken sich die beiden Fußballlehrer nichts. Der 1,0-Absolvent Tedesco trägt sogar den Titel Jahrgangsbester mit sich herum, was in der Vergangenheit aber nicht immer dem eigenen Vorteil diente (siehe Alexander Zorniger). Oberste Prämisse bei beiden ist die taktische Flexibilität. „Ich richte mich immer am Gegner aus“, sagt Wolf und unterscheidet sich damit von Trainertypen wie Zorniger oder Roger Schmidt. Ob Dreierkette, Viererkette, ein oder zwei defensive Mittelfeldspielern – eine feste Grundordnung gibt es bei ihm nicht. Ähnlich verhält es sich bei seinem Schalker Kollegen, auch wenn dieser noch am ehesten auf ein 3-4-3-System setzt. Tedesco mag keine langen Bälle, er fordert Tempofußball und schnelles Umschalten. Steht der Gegner geordnet, verlangt er von seinen Spielern, das Tempo zu drosseln – genau wie der VfB-Coach, der sich damit von der Dortmunder Schule von Vollgas-Trainer Jürgen Klopp ein Stück weit emanzipiert hat. Oder an die Gegebenheiten beim VfB angepasst hat, je nachdem. Angesprochen auf das grandiose 6:0 der Nationalelf gegen Norwegen und die Frage, ob die Löw-Truppe für ihn ein Vorbild darstelle, antwortete Wolf mit einem klaren Nein. „Wir müssen versuchen, das Beste aus uns herauszuholen.“ So mancher Fan vermisst bei dem 36-Jährigen ja noch immer eine klare Handschrift. Wolfs Gegner-Anpassungsstrategie ist die Erklärung.

Führungsstil

Ein Jungspund wie Tedesco in der Schalker Schlangengrube: Ob das mal gutgeht? Natürlich begegnen dem 31-Jährigen in Gelsenkirchen etliche mit Skepsis – wie sollte es anders sein. Tedesco sieht die Diskussion unaufgeregt. „Ich bin ehrlich gesagt kein großer Freund von dieser Debatte über junge und alte Trainer. Damit kann ich wenig anfangen. “

Kaum beim permanent zwischen Größenwahn und Selbstzerfleischung schwankenden Club angekommen, hat Tedesco gleich mal gezeigt, wo der Hammer hängt. Das Schalke-Idol Benedikt Höwedes wurde mit reichlich unschöner Begleitmusik an Juventus Turin verliehen (Tedescos heimlicher Lieblingsclub, ausgerechnet). Damit machte sich der Neue nicht nur Freunde.

Auf der anderen Seite schwärmen die Mitarbeiter am Berger Feld in den höchsten Tönen von dem Italo-Schwaben. Über seine offene, ehrliche und geradlinige Art. Im Umgang mit seinen Spielern gilt er als diskussionsfreudig und uneitel, andere Meinungen sind willkommen. Als einer seiner größten Stärken wird Tedescos Gabe genannt, die Komplexität des Spiels auf die wesentlichen Faktoren herunterzubrechen.

Auch Hannes Wolf gilt – anders als etwa Julian Nagelsmann – als großer Kommunikator. Und auch er hat von Anfang an klar gemacht: Der Chef bin ich! Große Namen (Alexandru Maxim, Christian Gentner) bedeuten ihm nichts, allein Leistung zählt. Das hat letztlich seine Glaubwürdigkeit befördert, zumal die Durchlässigkeit bei ihm keine Floskel darstellt. Heute Tribüne, morgen Startelf und umgekehrt – bei Wolf jederzeit vorstellbar.

In seiner ersten Profisaison in der zweiten Liga hat der Coach bewiesen, dass er ein Team führen kann. Trotz einiger Härtefälle zog die Mannschaft an einem Strang. Was nicht heißen soll, dass der zweifache Familienvater immer nur der nette Herr Wolf ist. Wer das nicht glaubt, dem sei ein Besuch auf dem VfB-Trainingsplatz empfohlen. Hannes Wolf kann auch laut und deutlich. Und von zu viel Basisdemokratie hält er auch nichts. Den neuen Mannschaftsrat will Wolf nicht wählen lassen. Den bestimmt nur einer – der Chef persönlich.