Der am Montag zurückgetretene DFB-Präsident Wolfgang Niersbach (links) hat sich vom Agenturjournalisten zum Chef des größten Sportverbandes der Welt hochgearbeitet – auch weil er ein hervorragender Netzwerker und Strippenzieher ist.

Es sind auch Bilder wie diese, die von Wolfgang Niersbach (64) in Erinnerung bleiben werden. Wie er in den Charterflugzeugen der deutschen Nationalmannschaft ganz vorne steht, den Krawattenknoten gelockert, das Bordmikrofon in der Hand, wie er launige Reden hält und gute Stimmung verbreitet. Kaum einer konnte das besser, er hat das oft getan, vor allem bei den vielen Reisen während der Fußball-WM in Brasilien. Als Weltmeisterpräsident war er am Höhepunkt in jenem Sommer des Jahres 2014 – im Herbst des Jahres 2015 ist er am Tiefpunkt angelangt.

 

Nun werden vor allem diese Bilder von Niersbach bleiben: sein blasses Gesicht, aus dem das Dauerlächeln verschwunden ist, seine Mitleid erregende Ratlosigkeit bei der desaströsen Pressekonferenz, auf der er die offenen Fragen zur Vergabe der WM 2006 nicht im Ansatz beantworten konnte (oder wollte). Er war jetzt kein Weltmeisterpräsident mehr, sondern der völlig überforderte und hilflose Mann an der Spitze des größten Sportfachverbandes der Welt, dem zusehends alles über den Kopf wuchs.

Das Ende eines märchenhaften Aufstiegs

Sein Rücktritt am Montagabend ist gleichzeitig das Ende eines märchenhaften Aufstiegs. Als Volontär begann der Fußballfan aus dem Rheinland 1973 als 22-Jähriger beim Sportinformationsdienst (sid). Bald wurde er zu einem angesehenen Fußballreporter, auch weil ihn Eigenschaften auszeichneten, die in diesem Geschäft mindestens genauso wichtig sind: die Fähigkeit zum Netzwerken und Strippenziehen, die Ausdauer an den Hotelbars, die Gabe, andere Menschen für sich einzunehmen. Es dauerte nicht lange, bis Niersbach mit allen Großen dieses Sports auf Du und Du war und immer weiter nach oben kam.

1988 wechselte Niersbach die Seiten, wurde erst Pressechef der EM in Deutschland und anschließend Mediendirektor des DFB. Franz Beckenbauer war ein enger Freund geworden, gemeinsam feierten sie den WM-Titel 1990 und machten sich später daran, die WM 2006 ins Land zu holen – ein Unterfangen, das Beckenbauer nun in Bedrängnis gebracht und Niersbach den Job gekostet hat. 2007 wurde Niersbach zum DFB-Generalsekretär berufen und 2012 zum elften Präsidenten gewählt. Der letzte Schritt auf der Karriereleiter schien nicht fern: Wenn es darum ging, wer die Uefa oder gar Fifa führen könnte, dann fiel nicht selten der Name Wolfgang Niersbach.

In viele Seilschaften verwickelt

Der Harmoniemensch gab sich viel Mühe, nur ja nicht anzuecken – auch als der Skandal innerhalb der Fifa immer neue Dimensionen erlangte. Das deutliche Wort und die klare Position, das war nie die Sache von Niersbach, der in zu viele Seilschaften verwickelt war, als dass er den Blatters und Platinis vors Schienbein hätte treten können. Er war ein Mann dieses Systems, der sein Amt als DFB-Präsident auch nicht zu allererst als gesellschaftspolitischen Auftrag verstand. Anders als sein pastoraler Vorgänger Theo Zwanziger begriff sich der joviale Niersbach als ein Mann, dem es vor allem um das Kerngeschäft Fußball ging.

In inniger Feindschaft waren sich beide verbunden. Und Zwanziger war es schließlich auch, der viel dafür tat, Niersbach zu Fall zu bringen. Bei den „Spiegel“-Recherchen zur Vergabe der WM 2006 trat er als Kronzeuge der Anklage auf – sehr zum Ärger der deutschen Fußballfamilie, in deren Mittelpunkt Wolfgang Niersbach immer gestanden war. In den vergangenen Tagen versammelte sie sich noch einmal hinter dem Präsidenten. Genutzt haben ihm die vielen Freundschaften nichts mehr.