Amateurfunken – ist das in Zeiten von Social Media nicht ein Anachronismus? Von wegen, sagt Wolfgang Peters, der das Hobby seit mehr als 60 Jahren pflegt. Er findet es demokratisch, Völker verbindend – und manchmal überlebenswichtig.

Ludwigsburg: Susanne Mathes (mat)

Tamm - Der 4. März 1971 war der großartigste Tag in Wolfgang Peters’ Amateurfunkerleben. Stundenlang hatte er geduldig und hoffnungsbang gewartet, ob das Glück ihm wohl hold sein würde. Und dann, nach Rauschen und Surren, das „klang wie ein Wespennest“, war der ersehnte Gesprächspartner am anderen Ende der Funkverbindung: König Hussein von Jordanien höchstselbst. Die Majestät hielt einen freundlichen kurzen Plausch mit dem Mann im fernen Deutschland, „Das war der absolute Höhepunkt“, schwärmt Peters. „Mit so einer berühmten Persönlichkeit zu reden, das ist der Traum aller Funkamateure!“

 

Die denkwürdige Hör-Begegnung hat der Alcatel-Vertriebschef im Ruhestand, dem man seine 80 Jahre kaum abnehmen mag, nicht nur minutiös in seinem Gedächtnis abgespeichert. Er hat auch eine kostbare schriftliche Erinnerung daran: eine QSL-Karte, mit denen Amateurfunker einander ihre erfolgreichen Verbindungen bestätigen. Durch ihr – je nach Naturell des Amateurfunkers – teils ausgefallenes persönliches Design und die oft entlegenen Absendeorte haben die QSL-Karten für die Funker oft enormen ideellen Wert – wie besonders seltene Briefmarken für Philatelisten.

Weit weg und gefühlt doch ganz nah

Die QSL-Karte Husseins von Jordanien überzeugt auch knapp 50 Jahre später durch schlichte Eleganz: weiß, schnörkellos, mit einem Kronen-Emblem und dem Aufdruck „Amateur Radio Station JY1.“ JY1: So lautete das Rufzeichen des Königs. „My best regards and wishes to you, my good friend“, schrieb Hussein nach dem Kontakt an Wolfgang Peters. Über sein Hobby äußerte der royale Funker einmal die Worte, die jeder passionierte Funkamateur wohl nur zu gerne bekräftigt: Es ermögliche ihm, Menschen in aller Welt zu begegnen, dem einen oder anderen auch persönlich, „und zu erkennen, dass wir zu einer einzigen großen Familie gehören, deren Heimat heute die ganze Welt ist“.

Mit der großen weiten Welt in Verbindung zu treten, auf einer Anruffrequenz per Zufallstreffer bei einem wildfremden Menschen zu landen, der einem über das Hobby doch nah ist: Das macht auch für Wolfgang Peters die Faszination der Amateurfunkerei aus. „Man sitzt zu Hause, spricht in ein Mikro, und am anderen Ende der Welt hört einem einer zu. Das ist doch grandios“, findet er. „Und dabei hat man das Gefühl, man spricht von Zimmer von Zimmer, von Mensch zu Mensch. Sogar wenn der Mensch weiß Gott wo ist.“

Spezial-Einlage für die Schulfreunde

Dieser Tage ist Wolfgang Peters dafür ausgezeichnet worden, dass er schon seit 60 Jahren im Deutschen Amateur Radio Club mitmischt – im Ludwigsburger Ortsverband ist er damit der Dienstälteste. Schon vor rund 70 Jahren hatte die Funkstation seines Vaters Karl Peters, der in Holzminden in Niedersachsen eine Rundfunkwerkstatt betrieb, eine magische Anziehungskraft auf den Halbwüchsigen ausgestrahlt. Mit zwölf baute Wolfgang sein erstes eigenes Detektorradio und staunte Bauklötze, wie man mit wenigen Bauteilen Rundfunksender empfangen kann.

Als Halbstarker mogelte er sich in jugendlichem Übermut illegalerweise ins Kurzwellenradio und sendete für seine Schulkameraden ein persönliches Programm. Als kurz darauf der Peilwagen der Post vor dem Haus des Vaters auftauchte, flüchtete der vorwitzige Sünder. „Ärger mit meinem Vater gab es aber nicht“, erinnert sich Peters lachend an die Anekdote zurück. „Er war total entspannt.“

Netzwerker in der Welt und Helfer in der Not

Der junge Mann bastelte eigene Röhrenverstärker für die damals angesagten Schellackplatten und kreierte zum Abschluss der Amateurfunkprüfung bei der damaligen Deutschen Bundespost einen eigenen Kurzwellensender. Kein Wunder, dass der wissbegierige Tüftler später Elektrotechnik und Wirtschaftswissenschaften studierte und über das Innovationsverhalten von Unternehmen promovierte. Mit Hilfe der großen Richtfunkantenne seines Vaters, berichtet Peters aus seinen Amateurfunker-Anfängen, „hörte ich morgens Stimmen aus dem fernen Osten, hatte gegen Mittag gute Bedingungen Richtung Süden, und gegen Abend war man in Nord- oder Südamerika“.

Die einen versteigen sich in der Technik, andere sind mehr auf intensive Kommunikation oder aufs Ergattern der exotischsten QSL-Karten aus. „Amateurfunkerei ist total vielseitig und spannend“, findet Wolfgang Peters. Auch in Not- und Katastrophenfällen, wenn kommerzielle Nachrichtenverbindungen lahm lägen, könnten Funkamateure helfen – sie seien ja unabhängig von fremder Infrastruktur.

„Hasstiraden und Denunziation gibt es da nicht“

Bedenke man all das, sagt Peters, sei das Hobby so zeitlos, anregend und intelligent, dass Instagram, Facebook oder Twitter ihm keine Konkurrenz machten. „Gerade auch für Jugendliche ist es ein tolle Beschäftigung.“ Ein bisschen Anstrengungsbereitschaft braucht es für die Ausbildung allerdings. Peters hofft, dass sich auch in Zeiten zunehmender medialer Ablenkung immer wieder genügend Mädchen und Jungen für die völkerumspannende Leidenschaft interessieren.

Ihm selbst schlägt heute das Herz noch schneller, wenn er in seinem Tammer Wohnzimmer den Sender-Empfänger startet und unter seinem Rufzeichen DJ5TN in die Welt hinaushorcht. „Auf der anderen Seite sitzen auf jeden Fall immer fröhliche Menschen“, sagt er. „Hasstiraden und Denunziation gibt es da nicht.“