Seit April leitet Wolfgang Steurer die Chirurgie. In einer kleineren Klinik fühlt sich der renommierte Bauchspezialist den Patienten näher.

Leonberg - Wenn Wolfgang Steurer über den von Bäumen gesäumten Weg am Krankenhaus geht, huscht ein Lächeln über sein Gesicht: „Welche Klinik hat schon eine so wunderbare Lage?“, fragt der Chefarzt der Bauchchirurgie. „Einige meiner Patienten, die mir von Stuttgart aus gefolgt sind, haben gesagt, hier sähe es aus wie in einer Kurklinik.“

 

Dass das Leonberger Krankenhaus allein schon vom Ambiente nichts mit seiner früheren Wirkungsstätte zu tun hat, passt zur Philosophie des 55-Jährigen. Das Stuttgarter Robert-Bosch-Krankenhaus, wo Steurer die Allgemein- und Viszeralchirurgie (Bauch- und Bauchdecke) geleitet hatte, ist ihm zu groß geworden: „Man kann seinen Tagesablauf nicht mehr bestimmen. Der Patient ist nicht im Mittelpunkt“, sagt der gebürtige Tiroler. „Wenn wirtschaftliche Interessen überwiegen, ist das nicht gut.“

Deshalb ist ihm bei der Stellenausschreibung des Klinikverbundes Südwest für die gleiche Position in Leonberg „das Wasser im Munde zusammengelaufen.“ Dass dort weniger Operationen anstehen, stört Steurer nicht. Im Gegenteil: „Die Anzahl der OPs sagt nichts über deren Qualität aus. Ich kann gut damit leben, nicht jeden Tag mehrere Riesen-Operationen zu machen. So habe ich viel mehr Zeit für die direkte Patientenansprache.“

Er muss sich nichts mehr beweisen

In der Tat muss sich Steurer medizinisch nichts mehr beweisen. Nach mehreren Jahren als Leitender Oberarzt in seiner Heimatstadt Innsbruck ging er für einen zweijährigen Forschungsaufenthalt an die renommierte Harvard Medical School in Boston. „Von den Amerikanern habe ich Teamgeist gelernt. Man erreicht gemeinsam etwas.“ Auch auf akademische Grade wird dort kaum Wert gelegt. Ganz anders als in seiner titelverliebten Heimat.

Dennoch zog es ihn nach Innsbruck zurück, wo er am Anatomischen Institut die Leiche des legendären Ötzi untersuchte. An der Uniklinik Tübingen war er stellvertretender Ärztlicher Direktor der Chirurgie. An der Westpfalzklinik in Kaiserslautern mit 1300 Betten gründete er ein Darmkrebszentrum. Dann ging er nach Stuttgart.

Es sind wohl auch die Erfahrungen in den Großkliniken, die ihn zur Erkenntnis gebracht haben, dass 200 bis 300 Betten „die Idealgröße“ für ein Krankenhaus sind. „Darüber wird es problematisch. Viel kleiner sollte es aber nicht werden“, sagt der Bauchspezialist mit Blick auf die drohende Reduzierung von jetzt 239 auf 162 Betten.

Gesundheitscampus „innovativer Ansatz“

Gleichwohl werde gerade der medizinisch-technische Fortschritt die ambulante Behandlung immer stärker in den Vordergrund rücken. Und dann sei der rings um das Krankenhaus geplante Gesundheitscampus ein „innovativer Ansatz“. Für den Medizinprofessor ist aber klar, dass es hier um Ergänzungen im Bereich der Fitness und Versorgung geht. Die Befürchtungen einiger Kollegen, dass Leistungen im Krankenhaus selbst beschnitten werden könnten, teilt er nicht: „Es gibt wenige Kliniken, die den Luxus von ausreichend Platz haben. Das kann eine Attraktion werden.“

Bestes Beispiel ist für ihn die im Bau befindliche private Strahlentherapie: „Die setzt klare Akzente in Richtung Tumorbetreuung.“ Ob dies der Grundstein für ein Onkologisches Zentrum werden kann, so wie es der Oberbürgermeister ins Gespräch gebracht hat, kann Steurer noch nicht sagen. „Wenn die Bevölkerung das Angebot annimmt, ist es gut. Da die Menschen im Raum Leonberg nach Stuttgart schauen, ist es meine Aufgabe, ihnen die Expertise vor Ort schmackhaft zu machen.“

Da hat einer doch noch einiges vor. Die heftige Diskussion um die Zukunft hat der bedächtige Professor aus Tirol sehr wohl mitbekommen: „Die Bevölkerung kämpft für ihr Krankenhaus. Das beruhigt mich.“

Den Weg zum Erfolg erkennt er in einem fachlichen Schwerpunkt. Dass ein Zentrum für entzündliche Darmerkrankungen, das der Klinikverbund in Leonberg etablieren will, ihn nicht ausreichend fordern würde, sieht Steurer nicht so: „Das ist ein großer Bereich, der wenig Lobby hat.“ Schon jetzt habe er Patienten aus Bayern, die extra zu ihm kommen. „Mit guter Medizin kann Leonberg überregional bekannt werden.“

Für Steurer geht es aber nicht nur ums Operieren. Menschlichkeit und Ansprache sind für den bekennenden Christen zentrale Werte: „Wenn ein 80-Jähriger nach einer Leistenbruch-OP direkt nach Hause muss, ist das einfach unmenschlich.“