Die Wollhandkrabbe ist einst aus China eingeschleppt worden. Fischer an Elbe und Havel hassen sie, denn sie kann mit ihren Scheren Fische töten und Fangnetze zerstören. Doch es gibt eine Lösung: die Plage kommt einfach auf den Teller.
Hamburg - Wenn Hans Brauer seine Netze und Reusen kontrolliert, findet er dort immer wieder höchst unwillkommene Gefangene. An Stelle von Fisch und Aal schaut ihn dann die Wollhandkrabbe an – und die hat das Talent, nicht nur die mitgefangenen Fische tot zu zwicken, sondern gleich auch das komplette Fanggerät zu zerstören. Breuer wirft die ungebetenen Gäste in der Regel über Bord und flucht. Er ist einer von zwei Fischern mit einer Lizenz für den Nordostseekanal.
Wenn Tony Chang seiner Familie und sich selbst etwas Gutes tun möchte, dann packt er alle am Wochenende ins Auto und fährt raus aus der Stadt an den See. Dort gibt es leckeres Mittagessen noch zu erschwinglichen Preisen. Wollhandkrabben kosten hier deutlich weniger als 60 Euro pro Kilo. In der südchinesischen Millionenmetropole Guangzhou, wo Chang zu Hause ist, wird dieser Preis manchmal noch überboten. Kein Wunder, dass Tony Chang nicht der einzige Feinschmecker ist, der sich am Wochenende in Richtung See aufmacht.
In China wird mit frischem Fang aus der sauberen Elbe geworben
Die Wollhandkrabbe ist eines der besten Beispiele, um zu zeigen, wie die Welt zusammenwächst – und wie sehr sich ihre Teile trotzdem voneinander unterscheiden. Vor etwa 100 Jahren wurde das Schalentier nach Norddeutschland eingeschleppt, vermutlich über Schiffe aus China. In der Havel, der Elbe und den Gewässern drum herum gedeiht es prächtig, zumal es keine natürlichen Fressfeinde hat. Den Menschen braucht die Wollhandkrabbe hierzulande nicht zu fürchten. „Das Tier ist mir noch nie untergekommen“, sagt der Stuttgarter Sternekoch Vincent Klink. Anders in Havelberg, wo das Hochwasser noch vor wenigen Monaten gewütet hat: Dort betreibt Sabine Schulze die Fischerstube Warnau. Sie bietet die Krabben an, gibt aber zu, dass es eine gewisse Überwindung koste, die „spinnenähnlichen Viecher“ zu essen. In Massen verkaufe sie die selbst gefangenen Tiere jedenfalls nicht.
In China, der ursprünglichen Heimat der Eriocheir sinensis, mag man den lateinischen Namen des Tieres nicht kennen, wohl aber zahlreiche leckere Zubereitungsarten. Krabbe gedünstet oder gebraten, an Ingwersößchen oder mit einem speziellen Essig zum Beispiel. Da wundert es nicht, dass findige Geschäftsleute nun im Internet mit einem ganz besonderen Angebot aufgewartet haben. „Wilde deutsche Krabben aus der unverschmutzten Elbe“, wurde den Chinesen da feil geboten, und zwar in sehr ausgefeilten Zusammenstellungen: sechs Stück, zusammen 750 Gramm und zu gleichen Teilen in Männlein wie Weiblein aufgeteilt für 25 Euro. Wer 48 Euro anlegt, bekommt vier Männchen, von denen jedes 175 Gramm wiegt, und vier Weibchen mit je 115 Gramm. Innerhalb von kürzester Zeit sind 300 000 Krabben geordert worden.
In China selbst werden jedes Jahr 500 000 Tonnen gezüchtet
Die Geschäftsidee hat ziemlich schnell den Unmut die staatliche Qualitätskontrolle auf sich gezogen. Die hat in der vergangenen Woche die Einfuhr deutscher Krabben verboten, berichtet die Zeitung „China Daily“. Offizielle Begründung: Gesundheitsrisiken. Doch geschäftliche Interessen dürften mindestens eine ebenso große Rolle spielen. In China werden jedes Jahr um die 500 000 Tonnen dieser Krabbenart speziell gezüchtet, sagt Sabine Schulze. Zum Vergleich: in Deutschland werden jedes Jahr 26 000 Tonnen Forellen produziert.
Die norddeutschen Fischer stört das neue Exportverbot ins Reich der Mitte nicht. Der notwendige Lebendversand sei viel zu teuer und aufwendig, sagt Hans Brauer. Da ist etwas Wahres dran, denn die chinesische Bürokratie steht der deutschen in nicht sehr vielem nach. Um die Einfuhrbescheinigung zu erhalten, braucht es mindestens ein Jahr, und auch dann sind noch viele Papiere und Genehmigungen vom Zoll und dem Amt für Quarantäne notwendig. Wenn Hans Brauer ganz besonders viele der Tiere im Netz hat, dann ruft er einen holländischen Zwischenhändler an. Der komme wegen 100 Kilo angefahren und zahle immerhin vier Euro fürs Kilo.