Regisseur Woody Allen will nicht unbedingt wissen, wie Rom wirklich aussieht. In seinem neuen Film „To Rome with Love“ genügen ihm Postkartenträume als Kulisse für liebenswerte Schnurren und Figuren.

Rom - Ist er nun naiv, zynisch oder verschmitzt? Altmeister Woody Allen, 76, erklärt seine spät erwachte Lust, Filmgeschichten außerhalb von New York anzusiedeln, immer wieder mit den Produktionskosten. Er drehe eben dort, wo man ihm Geld biete, sagt er. Das waren bisher interessante Orte wie London („Match Point“), Barcelona („Vicky Cristina Barcelona“), Paris (Midnight in Paris“) und nun eben, der Titel „To Rome with Love“ gibt da erste zarte Hinweise, Rom.

 

Allerdings zeigt sein neuer Film, in dem Allen wieder selbst vor die Kamera tritt, dass er nicht anreist, um eine Stadt zu erkunden. Er bringt seine Ideen von ihr schon mit. Barcelona, Paris und Rom tauchen bei ihm als Kulturtouristenträume auf, als schöne Rahmen für Menschen, die neben ihrem Verliebtsein eher mal ein Kunstmuseum als ein Karambolagerennen besuchen. Allens Rom ist denn auch nur eine lebendig gewordene Ansichtskarte.

Verbeugung vor Fellinis „Roma“

Geben wir gleich zu, was in „To Rome with Love“ nicht funktioniert. Woody Allen will seinen Ensemblefilm über amerikanische Exilanten in der Heiligen Stadt und über touristische Besucher pro forma von einem Verkehrspolizisten erzählen lassen, der jeden Tag den Trubel, die Trubelnden und die Turtelnden im Blick hat. Das ist wohl eine kleine Verbeugung vor Fellinis „Roma“, vor der Idee, der Stadt müsse eine Stimme gegeben werden.

Aber Allen tupft das nur hin. Er hält sich kein bisschen an diese Perspektive, im Gegenteil, er schildert munter auf 109 von 110 Minuten Dinge, die der Polizist weder gehört noch gesehen haben kann. Man kann das natürlich auch als Grandezza eines erfahrenen Regisseurs sehen, der kleine Brüche und Grate und Ungereimtheiten stehen lässt, um uns darauf hinzuweisen, wo und wie er seinen Film auch ganz anders hätte entwickeln und beleuchten können.

Allen selbst spielt nicht die Hauptfigur, sondern einen von mehreren gleichberechtigten Charakteren, den Opernregisseur Jerry. Der ist mit seiner Frau Phyllis (Judy Davis) zwar aus privaten Gründen in Rom, kann aber das Inszenieren nicht lassen. Wenn ihm keine Bühne zur Verfügung steht, mischt er sich eben ins Leben anderer ein, hier ins Familienglück eines Bestattungsunternehmers, der wie Millionen Menschen unter der Dusche singt.

Unentdecktes Opernphänomen

Jerry ist überzeugt, eine begnadete Laienstimme vor sich zu haben, ein unentdecktes Opernphänomen, und stachelt den armen Mann zum Grimm der Verwandten auf, er solle doch einmal aus der Dusche heraustreten. Die latente Arroganz dieser gönnerhaften Förderung, der Hinweis, das bisherige Dasein des Sängers sei zu klein und zu glanzlos, fällt Jerry gar nicht auf.

Man kann, wenn man will, diese Rolle als ironische Selbsthinterfragung Allens sehen. Der Mann ist es gewohnt, seinen Willen zu bekommen, er ist es gewohnt, über andere zu bestimmen, er hat sich in seinen Grillen und Absonderlichkeiten gut eingerichtet und verliert vielleicht manchmal ein wenig den Blick dafür, dass andere mit anderen Spleens glücklicher sind.

Ein Mann zwischen zwei Frauen

Eine interessante Rolle hat auch Jesse Eisenberg als Architekturstudent, der nicht nur zwischen zwei Frauen(Greta Gerwig und Ellen Page) steht, sondern auch einem saturierten Stararchitekten (Alec Baldwin) begegnet. Dessen Erfahrungen muss er nutzen, ohne sich von dessen Autorität erdrücken zu lassen. Das ist eine typische Allen-Figur, die aber nicht so hingebogen wird, als sei Eisenberg nur die Sprechpuppe für einen zu alt gewordenen Allen. Der jüngere Schauspieler darf seine eigene, viel weniger hibbelige und neurotische Variante der Figur bieten.

Keiner der großen Filme von Woody Allen

Dies ist keiner der großen Filme von Woody Allen, aber einer der netten. An die Stelle einer übergreifenden Vision, eines Weltbilds, einer Reibung mit dem Status quo tritt die Sammlung entspannter Beobachtungen und die Entwicklung kleiner Schnurren.

Roberto Benigni zum Beispiel spielt einen absoluten Durchschnittsrömer, der plötzlich wie ein Megastar behandelt wird, wie ein Idol der Gewöhnlichkeit. Darin steckt ein großer, surrealer Film wie „Zelig“ oder „The Purple Rose of Cairo“, doch Allen belässt es bei der Pausenclownerie. Was durchaus etwas Sympathisches hat. „To Rome with Love“ weist alles Große so entschieden von sich, als betrachte Allen diesen Film als seinen persönlichen Italienurlaub.

To Rome with Love. USA, Italien 2012. Regie: Woody Allen. Mit Woody Allen, Roberto Benigni, Alec Baldwin, Penélope Cruz, Judy Davis. 110 Minuten. Ohne Altersbeschränkung. Atelier am Bollwerk, Cinema