Laut Studien wünschen sich viele Menschen in Deutschland eine Vier-Tage-Woche. Weniger zu arbeiten, nützt auch dem Klima – unter bestimmten Bedingungen.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Auf der Wunschliste vieler ganz oben steht mehr Freizeit. Warum es nicht nur der persönlichen Balance gut tun kann, im Job kürzer zu treten, sondern auch dem Klima, erklärt der Umweltwissenschaftler Michael Kopatz. Er plädiert für eine kurze Teilzeit von rund 30 Stunden. Der Stellhebel Arbeitszeit werde in der Klimadebatte bisher weitgehend ausgeblendet, so seine Meinung.

 

Dass ein höheres Einkommen zu einem klimaschädlicheren Lebensstil führe, „das ist wissenschaftlich evident“, sagt Kopatz. Einsprechend plädiert er gegen Teilzeit bei vollem Lohnausgleich. Denn nur weniger Geld bedeute auch weniger Konsum. Dabei müsse man sich fragen, was es wirklich im Leben brauche. Er spitzt zu: „Wir schuften, um zu shoppen.“

Mehrheit wünscht sich Vier-Tage-Woche

Laut dem vor Kurzem erschienenen Arbeitszeitreport der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin wünscht sich knapp die Hälfte der Menschen in Deutschland, weniger als fünf Tage die Woche zu arbeiten. Die HDI Berufe-Studie 2022 hat herausgefunden, dass sich Dreiviertel der Bevölkerung nach einer Vier-Tage-Woche sehnen.

Kopatz ist klar, dass sich die von ihm vorgeschlagene kurze Vollzeit nicht für alle eignet, die einkommensärmere Bevölkerung würde den Vorschlag sicher „als Luxus“ empfinden, sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion. „Aber sie sind vom ökologischen Impact her am unproblematischsten.“ Auch er lebt sein Konzept übrigens nicht. Oder besser gesagt: nicht mehr. Nachdem er 25 Jahre lang jeweils nur um die 50 Prozent gearbeitet habe, davon viele Jahre am Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt, Energie, ist er seit Sommer 2022 Stadtbaurat in Marburg – in Vollzeit. „Ich will es nicht bis zur Rente so machen“, sagt er. Aber momentan habe er Spaß, weil er Theorie in Praxis umsetzen könne. „Ich spüre meine Selbstwirksamkeit.“

Teilzeit in klimaschädlichen Branchen?

Und in solchen Fällen könnte sich eine verkürzte Arbeitszeit wie eine Bremse anfühlen. Außerdem hat sich der Arbeitsmarkt, seit 2016 sein Buch „Ökoroutine“ erschienen ist, in dem er für die verkürzte Vollzeit wirbt, verändert. Es herrscht Fachkräftemangel, qualifizierte Bewerber können sich ihre Jobs aussuchen. Die Firmen hätten aktuell kein Interesse daran, dass Leute kürzer arbeiten, weil es eh an ihnen mangelt. „Aber in allen Branchen, die keinen Beitrag zum Klimaschutz leisten oder sogar schädlich sind, kann die Teilzeit helfen“, sagt Kopatz. Er meint die Industrie rund um die Kohle, den Verbrenner oder Beton. „Es gibt Branchen, die schrumpfen müssen.“ Andere müssten wachsen: Die Energiewende gelingt nur mit vielen helfenden Händen. „Aber auch hier gilt: Ein Solateur, der weniger verdient, kann sich auch weniger Konsum leisten.“

Weniger zu arbeiten, hält auch Sara Weber für das Zukunftskonzept – für die eigene Work-Life-Balance, aber nicht nur. „Wenn wir übers Klima sprechen, können wir die Arbeitswelt nicht abkoppeln“, sagt sie. Dabei automatisch weniger Geld zu verdienen, unterstützt sie derweil nicht. Vor allem in der aktuellen Hochpreisphase „wäre das schwierig, zu vermitteln“, glaubt die Digitalstrategin, Journalistin und Autorin aus München. Die ehemalige Redaktionsleiterin des Karrierenetzwerks LinkedIn hat gerade ihr Buch „Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten?“ veröffentlicht.

Sara Weber: Zeit darf kein Luxus sein

Wer weniger arbeite, treffe bessere Entscheidungen fürs Klima, sagt Sara Weber. Er pendele weniger, koche mehr und kaufe gute Zutaten ein – weil für solche Dinge dann Zeit da sei. Sie selbst ist ausgestiegen aus dem Hamsterrad und verdient ihr Geld inzwischen freischaffend in etwa einer Vier-Tage-Woche. Der Unterschied: „Ich bin nicht mehr so termingetrieben“, sagt sie. Zeit dürfe aber kein Luxus sein, jeder sollte sie sich leisten können. „Wir müssen das als Gesellschaft gerecht aufteilen.“ Gerade die handwerklichen Berufe, die es für die Energiewende braucht, seien extrem anstrengend, sagt Sara Weber. „Wenn sich die Leute kaputtarbeiten, ist auch keinem geholfen.“

Auf die Unternehmen sieht sie einiges zukommen; sie geht davon aus, dass sie sich immer stärker daran messen lassen müssen, ob sie sich mit dem Klimawandel beschäftigen. „Das ist ein wichtiges Thema für junge Leute“, sagt sie. „Wer das nicht liefern kann, wird es schwer haben, Fachkräfte zu finden.“