Es herrscht turbulentes Treiben auf dem Leinfelder Schulcampus: Schülerinnen und Schüler spannen eine Leine mit kunterbunten Porträts quer über den Schulhof, der zur Immanuel-Kant-Realschule führt. Lehrerinnen und Lehrer tragen Bänke und Tische ins Freie. Die Vorbereitungen für das Schulfest am Nachmittag, bei dem die neuen Fünfer zum ersten Mal ihre Mitschülerinnen und Mitschüler und ihr Klassenzimmer kennenlernen werden, laufen auf Hochtouren.
Alle sind irgendwie in Aktion – eine andere Stimmung ist derweil in einem der Klassenräume im ersten Stock der Realschule zu spüren. Mädchen und Jungen im Alter zwischen zwölf und 14 Jahren beugen sich konzentriert über ihre Tablets. Unter der Anleitung der Medienpädagoginnen Lena Herrmann und Sophia Kirner von der Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung (LKJ) versuchen sie, Fotos von sich selbst in eine surreale Welt zu zaubern.
Zuvor haben sie sich überlegt: Wie möchte ich mich zeigen? Was kann ich gut? Welche Wünsche habe ich? Lukas Lehmann ist als erstes fertig. Sein Werk zeigt den Schüler in einer Art Blase sitzend, die auch die Erdkugel sein könnte. Ein Astronaut hält diese Kugel in den Händen. Marie Mezger möchte gerne mal nach Griechenland reisen. Deshalb hat sie ein Strandbild im Internet rausgesucht. Nun will sie das Foto von sich so einfügen, dass es aussieht, als würde sie auf einer Liege sitzen und aufs Meer blicken.
Estelle Visscher zieht es derweil nach New York. Sie hat die Brooklyn Bridge als Hintergrund für ihre Montage gewählt. Finn Hofmann dagegen ist Fußballfan. Er will sich neben dem Spieler Cristiano Ronaldo in einem Stadion zeigen.
Ein toller Post – ohne sich selbst verändern zu müssen
„Die Schülerinnen und Schüler lernen, einen tollen Post zu erstellen, ohne sich dabei selbst verändern zu müssen“, erklärt Lena Herrmann. ImPerfect nennt sich der Workshop der LKJ, den die Lehrerinnen Katharina Reutter und Sarah Leuze für die Projekttage kurz vor Ferienbeginn an die Schule geholt haben. Die Jugendliche lernen dabei viel über das Thema Selbstdarstellung im Netz. Es geht um Rollenbilder, Bildmanipulation und Cybermobbing. Gefördert wird das Projekt durch die Landesanstalt für Kommunikation, also die Medienanstalt für Baden-Württemberg. Während die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am zweiten Tag kreativ werden, haben sie am ersten Tag darüber gesprochen, dass vieles, was im Internet und in Känalen wie Instagram und Tiktok gepostet ist, nicht echt ist. Die Medienpädagoginnen haben gezeigt, wie viele Muskeln prominente Persönlichkeiten wie Justin Bieber tatsächlich haben und wie muskelbepackt sie sich im Netz darstellen. „Dort werden Schönheitsideale verbreitet, an die niemand herankommt“, sagt Sophia Kirner.
Manche Firmen setzen mittlerweile Models ein, die von einer KI generiert wurden, also gar keine echten Menschen sind, erklärt sie. Die Jugendlichen haben aber auch erfahren, dass es mittlerweile Influencerinnen und Influencer gibt, die sich gegen Rassismus, den schönen Schein einer perfekten Familie wehren oder aber sich ganz stolz mit ihren Makeln im Netz zeigen.
„Man muss sich nicht verstellen“, nimmt Finn Hofmann aus diesem Workshop mit. „Man kann sich im Internet so zeigen, wie man ist“, hat Estelle Visscher gelernt. „Vieles wird echt krass bearbeitet“, weiß Marie Mezger nun. Zum Schluss haben die Schülerinnen und Schüler ihre Werke ausgedruckt und auf eine Stellwand gepinnt – damit sie am Schulfest ausgestellt werden können.