Im Gerber Upstairs haben Absolventinnen der Modeschule Kehrer zu einer Upcycling-Aktion geladen.

S-Mitte/ S-Süd - Du könntest auch die Ärmel abschneiden und die Oberfläche der Jeans bearbeiten, also aufrauen. Jeans-Dekonstruktion ist immer cool – auch Verzierung kommt gut.“ Sophie Eilenberger legt eine Borte um die Taschen einer Hose, die sie auf dem Tisch im Gang des Kaufhauses Gerber ausgebreitet hat. Aus dem Pop-up-Atelier gegenüber, das die Modeschule Kehrer im Obergeschoss einrichtete, hat sie zwei mit Schleifchen verzierte Scheren geholt. Eine Nähmaschine steht ebenfalls bereit, hinter der Glasbrüstung mit Blick auf die Rolltreppe. Eilenberger ist Absolventin der Modeschule Kehrer – wie auch Anne Reissmüller. Und an diesem Samstag geben die Fashiondesignerinnen Upcycling-Event.

 

Jeder kann mitbringen, was er nicht mehr anzieht, oder was er vielleicht sogar wegwerfen will. „Ob Kleidungsstücke, Taschen, Schuhe oder Kissenhüllen, es kann alles Mögliche sein. Wir schauen es uns an und beraten, was man daraus machen kann“, so Eilenberger. Mit Upcycling, der kreativen Form des Recyclings, könne man Alt zu Neu aufwerten, in dem man es mit Accessoires wie Nieten, Pailletten, Bändern, Spitze, mit Farben, Stempeldrucken und Applikationen aufhübsche, beschreibt sie. Die Zutaten und eine ganze Palette an Kolorierungen haben die Modemacherinnen auf einer Konsole arrangiert.

Jeder hat doch immer zuviel ungebrauchtes Zeugs im Kleiderschrank

Marina, die ihre Jeans und ihre Baumwolljacke mitgebracht hat, findet das Konzept super. „Man hat sowieso viel zu viel Zeugs im Schrank“, sagt die 26-Jährige. Und wegwerfen sei auch nicht die Lösung. „Hier bekomme ich viele neue Ideen, die ich vielleicht auch später noch anwenden kann.“ Erfahren vom Upcycling-Event hat sie über Facebook, wo Teilnehmer verlost und allgemein Interessierte geladen wurden. Auch Marilena und Sina entdeckten es dort. Die 25- und 22-Jährigen haben allerdings nichts Altes mitgebracht. „Wir wollten mal Taschen gestalten“, so Marilena. Vor ihnen ausgebreitet liegen die Stoffbeutel, die die Designerinnen vorbereitet haben – sowie allerlei Buchstaben und Schablonen. Marilena und Sina schieben sie hin und her auf dem Material, um auszutesten, was wo am besten aussehen könnte.

Die Idee zur Upcycling-Aktion, so Eilenberger und Reissmüller, sei im Gespräch mit den Gerber-Managern entstanden. Upstairs heißt der experimentelle Bereich im Obergeschoss, in dem sich unter anderem auch junge Designer präsentieren können. Das Konzept entwickelte Hannes Steim, der auch schon im Fluxus in der Calwer-Passage damit erfolgreich war. Und zu dem Team, das nun drei Monate lang im Pop-up-Atelier seine Kreativität ausleben darf, gehören neben Eilenberger und Reissmüller auch ihre Mit-Absolventinnen Marion Zoelle und Carlotta Mayer. „Dass die Modeschule mit dem Gerber kooperiert, ist eine tolle Chance für uns“, schwärmt Eilenberger. „Klar bewirbt man sich mit seinen Abschlussarbeiten, aber hier können wir erst einmal in Ruhe etwas Eigenes entwickeln, ohne Miete zu zahlen.“ So arbeiten die vier Kreativen während der Woche im offenen Atelier – es ist jeweils zwischen 12 bis 18 Uhr geöffnet – an ihren eigenen kleinen Kollektionen. Diese werden am 1. April bei der langen Einkaufsnacht bei einer Modeschau präsentiert.

Beim Einkaufen soll auch an die Umwelt gedacht werden

Die Macher des Stadtkaufhauses seien super, freuen sich die beiden über die Unterstützung. Ihnen ginge es nicht nur um das übliche Shopping-Erlebnis, sondern darum, dass eine Szene entstehe, in der auch Dinge wie Nachhaltigkeit und Ökologie thematisiert werden. „Das sieht man schon an der Umgebung, hier gibt es auch einen veganen Laden“, so Eilenberger. Alle Geschäftsbetreiber seien enorm nett und hilfsbereit. Sie und ihre Kolleginnen hoffen, mal eigene Label zu gründen. „Wir sind ein gutes Team, aber arbeiten gänzlich unterschiedlich“, sagt Reissmüller. Und sie betont, dass Upcycling wie Ökologie und die Notwendigkeit als Designerinnen die eigene Mode verkaufen zu wollen, sich nicht ausschließen. „In der Modeschule wurden die Produktionsbedingungen von Kleidern auch angesprochen. Wir wissen, wie es bei Massenware zugeht und Preise gedrückt werden“, so Eilenberger. Und Reissmüller fügt hinzu: „Man kann upcyceln und den Schrank mit Neuem ergänzen. Aber dabei ist es doch besser, statt Geld für viele billige, schlecht gemachte Teile auszugeben, wenige, dafür gut hergestellte, fair und giftfrei produzierte Stücke zu kaufen. Die hat man oft sein Leben lang.“