Kinder sind die geborenen Poeten, sagt der Dichter Harry Fischer. Bei älteren Schülern hilft der Stuttgarter Dichter gerne nach – wie unlängst in Ebersbach.

Region: Corinna Meinke (com)

Für was dankbar sein?Fällt es im ersten Momentnoch schwer, so gibt es doch

 

viel mehr.

Viel mehr als nur das Negative,

das uns wie ein Schleier eingrenzt.

Mehr als der Käfig, in dem wir uns

selber gefangen halten,

um Schlechtem zu entgehen.

Ebersbach - In gerade mal zwanzig Minuten sind diese spontan niedergeschriebenen Zeilen einer Neuntklässlerin entstanden. Den Anlass hat der Projekttag Lyrik geboten, zu dem die achten und neunten Klassen am Raichberg-Gymnasium Ebersbach vom Verein Bücher tun Gutes eingeladen waren, der die Workshops finanzierte.

Schüler suchen gemeinsam nach Formulierungen

„Es hat Spaß gemacht,“ bekennt die 16-jährige Asye, die Gitarre spielt und dafür ab und zu eigene Texte schreibt. Gemeinsam mit ihren Freundinnen hat sie ein Gedicht über verbotene Liebe zwischen Arm und Reich verfasst. Während sich die fröhlich schwatzende und singende Mädchengruppe, für alle hörbar, gemeinsam auf die Suche nach Worten macht, ringen andere alleine um ihre Formulierungen.

So wie Busak zum Beispiel. Der 16-Jährige hat sein Gedicht seinem Sportidol, dem US-amerikanischen Basketballspieler Kawhi Leonard, gewidmet von dem er kein Spiel am Bildschirm verpasst.

Einladung zu einer kleinen poetischen Reise

„Ich hab’s gewusst: Ihr seid Dichter und Poeten“, frohlockt Harry Fischer, der die Klasse zu Beginn der Doppelstunde zu einer kleinen poetischen Reise eingeladen hat. Und das ganz ohne Leistungs- und Notendruck, denn die kleinen Werke sollen nicht bewertet werden. Dem Stuttgarter Dichter, der für den Workshop engagiert wurde, geht es vor allem ums Tun.

Für Harry Fischer ist Poesie auch ein bisschen Therapie: „Da könnt ihr euch alles von der Seele schreiben“ empfiehlt er mit froher Stimme und macht den Schülern Mut, auch die schweren Seiten des Lebens in den Blick zu nehmen. Vieles haben Kinder und Jugendliche unter Fischers Anleitung seither in Worte gefasst, auch Leid und Verlust. Seit Jahren besucht der Dichter Mädchen und Buben in Grund- und weiterführenden Schulen, in Gemeindezentren und in Kliniken.

Kinder sind die geborenen Poeten, sagt der Dichter

Harry Fischer setzt an der Basis an, denn er glaubt, dass Kinder geborene Poeten sind, die Verse und Reime über alles liebten. Im Lauf der Zeit gehe diese Beziehung zur Poesie leider meistens verloren. „Deshalb versuche ich den Kindern Poesie zu vermitteln, die ihnen zeigt, dass das Leben einem Reich voller zauberhafter Wunder gleicht, in dem es jeden Tag etwas Schönes und Einmaliges zu entdecken gibt“, erklärt Fischer, der an die Kraft des poetischen Denkens glaubt. Es lasse uns die Welt immer wieder neu erscheinen, wenn wir lernten hinzuschauen und hinzufühlen. Zunächst holt Fischer die Poesie aber vom Podest. Er veranstaltet Sprachspiele, bei denen ihm die Schüler die Reimworte zurufen, fragt „Was ist schön, was ist Poesie?“ und berichtet von der Blume, die vergaß zu blühen und von dem geliebten Kieselstein.

Auch der Deutschlehrer ist angetan

„Das kam bei mir super an“, bekennt sogar der Deutschlehrer Andreas Voit, der einen der Workshops begleitete. Emotional und schülernah habe der Dichter agiert und die Mädchen und Jungen auf diese Weise freigemacht, um selbst zu schreiben und sich für Poesie zu öffnen. Ob das im Deutschunterricht künftig helfen wird, müsse sich noch weisen.

Immerhin werde in der achten Klasse der Grundstock für den Umgang mit Gedichten vermittelt, bevor in der Oberstufe das barocke Sonett und der Gedichtvergleich auf dem Lehrplan stehen.

Informationen im Netz unter: www.kinderpoesie.de