Morrissey ist zurück und legt ein beglückendes neues Album vor. Unser Rezensent lobt das wunderbar durchzuhörende „World Peace is none of your Business“ für seine distinguierten Poparrangements, illustre Gäste und mit buttriger Stimme zelebrierte Misanthropie.

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Stuttgart - An Selbstbewusstsein mangelt es Steven Patrick Morrissey nicht. „Man sagt, dass die meisten Popstars erst sterben müssen, um den gleichen Ikonenstatus zu erlangen, den Morrissey schon zu Lebzeiten innehat“, ließ er widerspruchslos auf den Klappentext seiner im vergangenen Jahr erschienenen Autobiografie drucken. Bei deren Veröffentlichung hat er sich kess ausbedungen, dass sie sogleich in der Reihe „Penguin Classics“ zu erscheinen habe, die ansonsten nur dem Kanon der Hochliteratur vorbehalten ist. Im Herbst soll das überaus lesenswerte Buch auf Deutsch erscheinen, auf dass dann auch hierzulande die Leute das kurzweilige Vergnügen haben, auf knapp fünfhundert Seiten am bisherigen Leben des 55-jährigen ehemaligen Bandvorstehers der Smiths teilhaben zu dürfen.

 

Aber alles andere als diese eitle Selbstdarstellung wäre bei einer so passionierten Rampensau wie Morrissey auch verblüffend. Wobei man diesen Satz gleich zweifach zurücknehmen müsste. Denn natürlich ist er ein Lautsprecher, aber einer von der filigranen, ziselierten und distinguierten Sorte. Und das mit der Sau würde der stets akkurat gewandete Sänger im wörtlichen wie im übertragenen Sinne brüsk zurückweisen. Die Krawatte streift dieser elegante Mann bei seinen Konzerten stets erst ab, wenn sich erste Schweißperlen auf der Stirn zu sammeln drohen, und in Rage gerät er nur, wenn es um seine drei LieblingsHass-Sujets geht: Tieresser, Männlichkeitswahnerkrankte und – doch, doch! - Erdendaseinsliebende.

Misanthropie mit buttriger Stimme

Folgerichtig lässt es der Musiker aus Manchester mit den irischen Wurzeln an misanthropischer Zerknirschtheit auch auf seinem aktuellen Album nicht mangeln. „Earth ist the loneliest Planet“, „I’m not a Man“ oder (noch emblematischer) „The Bullfighter dies“ heißen die Songs des fast schon militanten Vegetariers; die Verse indes sind nicht von blindwütigem Zorn, sondern tiefer Grübelei geprägt. Die Musik dazu ist längst nicht so blass wie das Papier, auf dem einige Kritiker ihm eine aktuell flaue Form attestieren. Dem Album fehlen zwar herausragende Höhepunkte, es überzeugt aber durch den harmonischen Guss, von Morrisseys buttrigem Timbre gekrönt. Musikalisch ist dieses wunderbar durchzuhörende Werk, mit seinen distinguierten Poparrangements, den illustren Gästen und seinen zahlreichen Reverenzen den Vorgängern „Years of Refusal“ und „Ringleader of the Tormentor“ sogar deutlich überlegen.

Die Autobiografie hat es übrigens im vergangenen Jahr auf die vordersten Ränge der britischen Bestsellerlisten gebracht, in gewohnter Schrulligkeit haben die Engländer ihn bei der Wahl der größten lebenden Angelsachsen hinter Richard Attenborough auf den zweiten Rang gewählt. Die insgesamt zwanzig Alben – zwölf als Solist, zuvor neun mit den legendären Smiths –, die er in den Top Ten der englischen Charts platzieren konnte, seien eher beiläufig erwähnt. Denn Steven Patrick Morrissey: der ist ein echt guter Junge.