Ein Buch über „demokratische Öffentlichkeit“ mit ziemlich intellektuellem Titel, dazu ein Symposium und ein Empfang – im Staatsministerium laufen längst die Vorbereitungen für den 70. Geburtstag von Winfried Kretschmann im Mai 2018.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Als Winfried Kretschmann 65 wurde, wollte er darum kein Aufhebens machen. Man solle das Datum nicht überschätzen, mahnte er vor Journalisten: „Geburtstag hat jede Kuh.“ Obwohl er offiziell ins Pensionsalter kam, mochte der Ministerpräsident von Ruhestand nichts hören: Wenn er gesund bleibe und die „fröhliche Seite des Regierens“ nicht zu kurz komme, könne er sich eine weitere Amtszeit durchaus vorstellen.

 

Das war 2013, knapp drei Jahre später folgte die triumphale Wiederwahl. Nun naht allmählich sein 70. Geburtstag am 17. Mai 2018. Und wieder wird gefragt: Wie werden der Jubilar und das Land das Fest begehen? Und wie lange bleibt Kretschmann den Baden-Württembergern noch erhalten? Anlass für die zweite Frage bot jüngst ein Besucher aus den USA: Jerry Brown, der Gouverneur von Kalifornien, knapp 80 Jahre alt. Es habe ihn schwer beeindruckt, wie „raumfüllend“ Brown auftrete und „wie viel Kraft er ausstrahlt“, berichtete der zehn Jahre jüngere Regierungschef.

Politik noch mit 80? „Prinzipiell natürlich“

Ob er sich vorstellen könne, in diesem Alter auch noch Politik zu machen? „Prinzipiell natürlich“, lautete seine Antwort vor der Landespresse, wenn er gesund bleibe und dies auch wolle. Die Frage nach den offiziellen Festivitäten zu seinem 70. ließ er offen: Man werde den Geburtstag sicher irgendwie feiern – „in hoffentlich bescheidener Form“.

Ganz dürfte Kretschmann nicht verborgen geblieben sein, dass in seinem Staatsministerium längst die Vorbereitungen dafür laufen. Federführend ist ein Vertrauter, der just am gleichen Tag wie er Geburtstag hat und in mancher Hinsicht als sein Alter Ego gilt: Staatsminister Klaus-Peter Murawski (67). Bei den Planungen orientiert er sich unter anderem an den Geburtstagen eines Vorgängers: Erwin Teufel (CDU).

Teufel badete zum 65. in der Menge

Dessen 60. beging man mit einem Festakt im Staatstheater und einer Festschrift. „Auf sicherem Fundament“ lautete der Titel des Buches, in dem Beiträge von Freunden, Weggefährten, aber auch politischen Gegnern versammelt waren. Sie schrieben über Begegnungen mit dem Jubilar oder über Themen, die Teufel besonders am Herzen lagen. Zu seinem 65. gab es einen Bürgerempfang im Innenhof des Stuttgarter Neuen Schlosses, wo er – wie ein Beobachter berichtete – „das Bad in der ihm gewogenen Menge sichtlich genoss“.

Für Kretschmann ist ebenfalls ein Empfang angedacht. Datum, Ort und Rahmen sind noch offen. Genaueres könne man erst später sagen, heißt es im Staatsministerium. Weiter fortgeschritten sind nach StZ-Informationen die Pläne für eine Festschrift, die freilich nicht als solche deklariert wird. Ein Buch soll sich mit der „demokratischen Öffentlichkeit“ beschäftigen – genauer: mit deren schleichender Erosion. Im antiken Griechenland gab es dafür die Agora, den zentralen Versammlungsplatz in einer Stadt, an dem gefeiert, diskutiert und verhandelt wurde. In der modernen, sich fragmentierenden Gesellschaft fehlt eine solche Plattform zusehends, der Diskurs zerfasert in immer mehr Foren. In den „Filterblasen“ des Internets lässt man sich in seiner Meinung bestärken und kaum noch durch andere Sichtweise beirren. Das beschäftigt Kretschmann seit Langem, darum sollen die Beiträge kreisen.

Auch Angela Merkel ist angefragt

Zwei Herausgeber sind bereits beauftragt: der Publizist Thomas Schmid (72), einst Vordenker bei den Grünen und zuletzt Herausgeber der „Welt“, und Ralf Fücks (66), bis vor kurzem Vorstand der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung. Auch ein Titel ist schon gefunden: „Gegenverkehr“ soll das Werk heißen – eine Anleihe beim italienischen Schriftsteller Alberto Moravia. „Diktaturen sind Einbahnstraßen. In Demokratien herrscht Gegenverkehr“, hat er einst geschrieben.

Einige Autoren aus Politik, Wissenschaft und Publizistik stehen fest, andere sind angefragt – darunter dem Vernehmen nach auch Angela Merkel, auf die Kretschmann nach wie vor große Stücke hält. Zum gleichen Thema könnte es auch ein Symposium geben. Erscheinen wird das Geburtstagsbuch im Tübinger Verlag Klöpfer & Meyer, der besonders auf Autoren aus Baden-Württemberg setzt und mehrfach ausgezeichnet wurde. „Bücher fürs Denken & Lesen ohne Geländer“ nennt der Verleger Hubert Klöpfer als Losung, frei nach der auch von Kretschmann verehrten Hannah Arendt. Als günstigster Bieter hat Klöpfer ein Vergabeverfahren gewonnen, bei dem von drei Verlagen ein Angebot eingeholt wurde. Die Kosten fürs Land, hört man, sollen sehr überschaubar sein.

Teufels Dank für die Elogen

Anders als einst bei Teufel, so heißt es, solle Kretschmanns Konterfei nicht auf dem Titel prangen. Der inzwischen 78-jährige Vorvorgänger hatte sich für die Lobeshymnen zu seinem Geburtstag übrigens mit dem Bonmot eines Pfarrers bedankt: „Herr, vergib Ihnen, dass sie so maßlos übertrieben haben, und verzeih mir, dass ich so viel Gefallen daran finde.“