Würge-Attacke am Stuttgarter Flughafen Opfer sagt vor Gericht aus

Vor dem Landgericht wird ein versuchter Mord verhandelt. Foto: SDMG/Krytzner

Ein Türkei-Urlaub endet für ein Geschwister-Trio dramatisch. Der Beschuldigte soll seine Schwester am Flughafen mit einem OP-Kittel gewürgt haben. Jetzt steht er vor dem Stuttgarter Landgericht.

Böblingen: Julia Theermann (the)

Leinfelden-Echterdingen - In der Landgerichtsverhandlung um einen versuchten Mord am Stuttgarter Flughafen waren in dieser Woche die Schwester und der Halbbruder des Beschuldigten als Zeugen geladen. Wie berichtet, war die 24-jährige Schwester, die als Nebenklägerin auftritt, am Sonntag, 15. November, des vergangenen Jahres von ihrem Bruder mit einem OP-Kittel attackiert worden, nachdem sie und der Halbbruder ihn aus der Türkei abgeholt hatten.

 

Während der Halbbruder keine Angaben machen wollte, berichtete die 24-Jährige ausführlich von den Geschehnissen, die der Tat vorausgegangen waren. In der Auftaktsitzung hatte die 19. Große Strafkammer des Stuttgarter Landgerichts bereits die Version des Beschuldigten gehört. Dessen Schwester beschrieb, wie sie während des Türkei-Urlaubs ihres Bruders vom deutschen Konsulat erfahren habe, dass er in Schwierigkeiten sei. In einer E-Mail habe gestanden, der 26-Jährige sei beraubt worden. Das sei vier Tage vor der Tat gewesen. Am Abend habe es eine weitere Nachricht des Konsulats gegeben: Der Bruder habe angegeben, Crystal Meth genommen zu haben und dass er nun verfolgt werde. „Ich hatte keinen Grund, davon auszugehen, dass dem nicht so war“, sagte die Schwester.

Die andere Seite der Geschichte

Sie beschrieb das Hin und Her mit ihrem Bruder, der sich schließlich beim Sprung von einem Parkhaus an den Beinen verletzt habe. Sie habe probiert, einen Krankenrücktransport zu organisieren. In seinem Wahnzustand sei der Bruder jedoch aus dem Krankenhaus geflohen. Die Mafia, die ihm auf den Fersen sei, lauere überall. Schließlich seien die 24-Jährige und ihr 36-Jähriger Halbbruder in die Türkei geflogen, um den Beschuldigten beim Konsulat abzuholen. Um die Angst des Beschuldigten zu lindern, habe eine Mitarbeiterin des Konsulats schließlich erzählt, die habe Sicherheitspersonal engagiert, um die Gruppe im Auge zu behalten. „Wir haben sogar ein Handzeichen ausgemacht, das er zeigen sollte, wenn er sich bedroht fühlt“, so die 24-Jährige.

Schließlich habe man es ins Flugzeug und zurück nach Stuttgart geschafft. Hier, so die Schwester, habe ihr Bruder darum gebeten, mit ihr alleine zu sprechen. Daraufhin habe sie den Halbbruder und ihren Freund gebeten, sich einige Meter zu entfernen. „Ich habe hauptsächlich geredet“, sagte sie. Sie habe ihm gesagt, er müsse sich nun helfen lassen, denn bei einer weiteren solchen Aktion könne er nicht mehr auf ihre Hilfe zählen. „Er saß neben mir auf dem Bordstein, hat mich in den Arm genommen und meine Wange geküsst. Dann habe ich gespürt, dass sich irgendetwas um meinen Hals legt“, beschrieb sie den Angriff. Todesangst habe sie nicht gehabt, denn sie habe sicher gewusst, dass ihr Halbbruder und ihr Freund kommen und ihr helfen würden. Wohl aber habe sie in den Wochen danach ein „hohes Sicherheitsbedürfnis“ gehabt und habe schlecht geschlafen.

Unterbringung steht im Raum

Aus der Fassung geriet die junge Frau nur, als der Vorsitzende Richter fragte, was sie sich vorstelle, was nun mit ihrem Bruder geschehen solle. Unter Tränen sagte sie, dass sie hoffe, ihr Bruder werde nun Hilfe bekommen. „Darum habe ich die Anzeige überhaupt nur gemacht – nicht, weil ich glaube, dass mein Bruder ein schlechter Mensch ist“, sagte sie. „Die Krankheit hatte einfach Überhand genommen.“

Eine Haftstrafe im eigentlichen Sinne sei bei diesem Verfahren nicht zu erwarten, beruhigte sie der Vorsitzende Richter. In dem Antragsverfahren gehe es darum, festzustellen, ob der Beschuldigte eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt und eine Sicherungsverwahrung angebracht ist. Die Hauptverhandlung wird am Mittwoch, 19. Mai, um 13 Uhr fortgesetzt. Dann werden weitere Zeugen vernommen.

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