Die Württembergische Landesbühne Esslingen stellt ihren Spielplan der Saison 2021/22 vor. Trotz Corona-Einschränkungen wollen die beiden Intendanten raus aus dem Ausnahmezustand und bringen unter dem Motto „Geschlossene Gesellschaften“ einige Premieren auf die Bühne.

Esslingen - Seit Corona Regie führt, ist im Theater alles anders. Nur eines nicht: die frühe Veröffentlichung der Landesbühnen-Spielpläne, jetzt bereits für die Saison 2021/22. Wer mit Kunst um die Gunst kommunaler Kulturreferenten, also um Gastspiele buhlen muss, wie es der Kulturauftrag des Landes fordert, hat eben möglichst vor der Konkurrenz auf dem Plan zu stehen.

 

In diesen (Spiel-)Plan wirkt freilich nun natürlich wieder Corona hinein – und schlägt damit auch auf die vergangene Saison 2019/20 zurück. An der Württembergischen Landesbühne Esslingen (WLB) zum Beispiel unterbrach die Pandemie eine mit fast 78 000 Besuchern bis zum Lockdown überaus erfolgreiche Saison.

Einige abgesagt Inszenierungen werden nachgeholt

Nun werden an der WLB einzelne gecancelte Inszenierungen auf Wiedervorlage gelegt, etwa das Familienstück „Der kleine Nick“, dessen Premiere vom Herbst 2020 auf den 20. November 2021 verschoben wird. Das Planwerk des Intendanten-Duos Friedrich Schirmer und Marcus Grube trägt aber inhaltlich vor allem den Stempel eines Ausnahmezustandes, der auf dem Weg zum Normalzustand ist. „Geschlossene Gesellschaft“ lautet das Motto in der nächsten Spielzeit. Und Schirmer zitiert aus Sartres gleichnamigem Existenzialismus-Klassiker gleich mal den leitenden Befund: „Die Hölle sind die anderen.“ Das Stück selbst hat am 26. September 2021 Premiere, zwei Tage nach dem Saisonauftakt mit Edward Albees „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“. Auch dies, so Schirmer, verstanden als Beitrag zum Thema: die Ehe als hermetischer, bisweilen höllischer Regelkreis.

Die Saison läuft unter dem Titel „Geschlossene Gesellschaften“

Geschlossene Systeme zum Dritten: In „Good Bye, Lenin!“ existiert es nur noch im Kopf einer hundertfünfzigprozentigen DDR-Patriotin, die die Wende nicht mitgekriegt hat. Eine Dramatisierung des berühmten Films hat am 9. Oktober 2021 an der WLB Premiere.

Von der Posse des Sozialismus zum Elend des Kapitalismus: Am 15. Januar 2022 kommt Arthur Millers „Tod eines Handlungsreisenden“ auf die Landesbühne, ebenfalls ein Theatertext über systemische Ausweglosigkeit, der laut Marcus Grube „traurigerweise nichts von seiner Aktualität verloren hat“.

Viel moderne Klassiker also, dazwischen Neueres, von Patrick Süskinds „Kontrabass“-Monolog (6. November 2021) bis zu „Und wer nimmt den Hund?“ (1. April 2022), Marcus Grubes Bühnenfassung von Martin Rauhaus’ Drehbuch zum Film von 2019. Die pointierte Scheidungstragikomödie folgt dem Gang fortgeschrittener Beziehungsdinge: Akademiker-Gatte in besten Midlife-Jahren wechselt zu einer weit jüngere Doktorandin – aber nicht ohne eine von seiner künftigen Ex verordnete Trennungstherapie.

Ein Sturm fegt über die Suizidabsichten hinweg

Man(n) wird älter und wähnt sich doch „Ewig jung“ wie in Erik Gedeons gleichnamigem Songdrama von 2001 (Premiere: 3. Dezember 2021), wo hochbetagte Mimen Abend für Abend ihre Auftritte hinlegen in ihrem alten Theater, das längst zum Altersheim mutierte. Eine dunkler gefärbte geriatrische Linie führt zu Jean-Michel Räbers „Gehen oder der zweite April“ (11. Februar 2022) um den gemeinsam geplanten Freitod eines Paars nach 50 Ehejahren. Beim Familientreffen mit den längst erwachsenen Kindern fegt dann freilich ein ganz anderer Sturm über die Suizidabsicht hinweg.

Mit der Uraufführung von Christine Gnanns Bühnenfassung des Romans „Die Freibadclique“ von Oliver Storz (24. Juni 2022) setzt die WLB ihre „Besichtigung“ des 20. Jahrhunderts fort. Es geht um fünf jugendliche Schwäbisch Haller Freunde anno 1944 und die Versehrungen, die der Krieg unter ihnen anrichtet.

Das Freilicht-Stück ist noch geheim

Ein Coup ist die Uraufführung am 19. März 2022 des Dramas „Der große Hanussen“ von Stephan Heym: Intendant Grube hat mit seinem Bruder den Theatertext im englischen Cambridge entdeckt, wo der Nachlass des Autors aufbewahrt wird. Das Stück über Hanussen – der Anfang der 30er-Jahre als „Hellseher“ Furore machte, sich als Jude den Nazis andiente und von diesen nach dem Reichstagsbrand 1933 ermordet wurde – schrieb Heym 1941 im amerikanischen Exil. Ein Uraufführungstheater fand er nicht, das Stück verschwand in der Schublade.

Das allseits beliebte Freilicht-Stück im Sommer 2022 wird noch nicht bekannt gegeben. Den Titel ebenso wie die Regie und weitere Besetzungen der übrigen Produktionen verrät die WLB wie üblich bei einer zweiten Pressekonferenz zur Saison 2021/22 im kommenden Mai.