Der neue Chef Jürgen Junker will die Internet-affinen Kunden für den Bauspar- und Versicherungskonzern gewinnen. Dafür verordnet er seinen Mitarbeitern vor allem eins: Tempo.

Stuttgart - in neuer Vorstandschef, sagt Jürgen Junker bei seinem ersten Pressegespräch, „muss nicht gleich alles auf den Kopf stellen“. Doch um künftig die aggressiven Wettbewerber aus der digitalen Welt in Schach zu halten, müsse der Konzern „frischer, aktiver, schneller“ werden. Junker, der seit Anfang des Jahres an der Spitze des Finanzdienstleisters steht, zielt auf Kunden, die viel im Internet unterwegs sind und wenig Wert auf persönliche Beratung legen. Um hier konkurrenzfähig zu werden, müsse der W&W-Konzern (Wüstenrot & Württembergische) schneller neue Produkte entwickeln. Junker betont: „Sie müssen vorne dabei sein oder Sie sind nicht dabei.“

 

Wie schon sein Vorgänger Alexander Erdland will auch der neue Vorstandsvorsitzende den Kundenstamm aus der Wüstenrot Bausparkasse und der Württembergischen Versicherung besser nutzen. Bisher besitzt nur ein Fünftel der Kunden Produkte aus dem jeweils anderen Geschäftsfeld. Dies soll deutlich ausgebaut werden. Gelingen soll das mit einer neuen Kundendatenbank, in der sämtliche Informationen über Kunden des Konzerns zusammengeführt werden, um den Kunden dann passgenaue weitere Produkte anzubieten. „Schlüssel zum Erfolg“ seien auch die Mitarbeiter, die künftig „intelligenter zusammenspielen“ sollen.

Bei der Württembergischen Versicherung will der Konzern rasch ein neues digitales Geschäftsfeld aufbauen – mit eigenständiger IT und eigenständiger Marke. Damit sollen neue Zielgruppen erreicht werden. Geplant sind standardisierte Produkte, die einfach zu verstehen sind und deren Preise sich konsequent nach Risiko oder gewünschtem Leistungsumfang richten.„In der digitalen Welt herrschen andere Gesetzmäßigkeiten und die wollen wir nutzen“, sagt Junker. Die Online-Marke, deren Name noch gesucht wird, soll „weit weg“ vom Ausschließlichkeits-Außendienst positioniert werden.

Kostendisziplin bleibt wichtig

Der neue W&W-Chef will sich die Zeit nehmen, gründlich zu prüfen, „wo wir als W&W wirklich gut sind“ und wo es Dinge zu verbessern gibt. Der Konzern müsse sich aber auch fragen, „was wir von unserem bisherigen Geschäft künftig weiter selbst machen und was wir vielleicht gar nicht mehr selbst anbieten wollen“.

Die seit fast zehn Jahren anhaltende Niedrigzinsphase „frisst sich in unsere Bilanzen“, sagt Junker. Deshalb sei Kostendisziplin wichtig. Ziel sei eine jährliche Produktivitätssteigerung von fünf Prozent. In den nächsten drei Jahren will der Konzern 100 Millionen Euro in die Digitalisierung investieren.

Die Dividende soll stabil bleiben

Die W&W-Gruppe hat sich laut Junker in dem schwierigen Marktumfeld des vergangenen Jahres „achtbar geschlagen“. Der Konzernüberschuss nach Steuern sank um 14,2 Prozent auf 235,3 Millionen Euro. Im Jahr zuvor war das Ergebnis durch einen steuerlichen Effekt hoch gewesen. Für dieses Jahr geht Junker von einem Konzernüberschuss in der Größenordnung wie 2016 aus. Man wolle wachsen, die Maxime sei aber: „Wertorientierung vor Umsatz“.

Trotz des Gewinnrückgangs soll die Dividende stabil bleiben. Der Hauptversammlung wird vorgeschlagen, 60 Cent je W&W-Aktie zu zahlen. Im Geschäftsfeld Bausparen hat Deutschlands zweitgrößte Bausparkasse Wüstenrot 2016 zugelegt und damit dem Branchentrend getrotzt. Ein Risikofaktor ist mit dem höchstrichterlichen Urteil zum Recht auf Kündigung lukrativer, langjähriger Bausparverträge vom Tisch. Zurzeit versucht W&W mit Genehmigung der Finanzaufsicht Bafin Kunden mit zuteilungsreifen Verträgen zum Umstieg auf Tarife mit niedrigeren Darlehenszinsen zu bewegen. Das Guthaben und der Bonus-Anspruch soll nicht verloren gehen.