Warum wird ein Bürgermeister abgewählt, der fast alles richtig gemacht hat? Dazu fallen den Geislingern ganz verschiedene Antworten ein.

Region: Corinna Meinke (com)

Geislingen - Auch am zweiten Tag nach der Abwahl von Wolfgang Amann als Oberbürgermeister von Geislingen beschäftigt das Ergebnis die Gemüter in der Stadt. Amann erhielt bei einer Wahlbeteiligung von 43 Prozent 45,6 Prozent der Stimmen. Sein Herausforderer Frank Dehmer siegte mit dem Stimmenanteil von 54,3 Prozent.

 

„Der OB hat den Kopf hinhalten müssen“

„Der OB hat den Kopf für einiges hinhalten müssen, da haben viele ihren Frust abgeladen“, kommentiert Hans-Jürgen Gölz den überraschend deutlichen Wahlsieg des Herausforderers Frank Dehmer. Der Sprecher der SPD-Fraktion im Gemeinderat nennt als mögliche Gründe für die Unzufriedenheit die kostspieligen Schulsanierungen, das Tauziehen wegen des barrierefreien Bahnhofs und den Ärger über die teuren Eintrittskarten für das Fünftälerbad. Alles Themen, die Amann und der Gemeinderat im gegenseitigen Einvernehmen geregelt hätten. Die Vision von der Perlenkette, dem Zusammenwachsen von Altenstadt und dem historischen Stadtkern, habe sich zum Reizthema vor allem für den Einzelhandel entwickelt.

Und für das schlechte Abschneiden Amanns in einigen Stadtteilen hat Gölz die Ungeduld der Menschen in Aufhausen und Türkheim ausgemacht, die nicht länger auf schnelles Internet und die geplante Halle hätten warten wollen. Überhaupt konstatiert Gölz einen Mentalitätswechsel, wonach man heute Lust auf den Wechsel habe.

Gleichzeitig seien viele Menschen nicht an der Kommunalpolitik interessiert. „Man schwätzt viel, und oft weiß man recht wenig“, nennt das Gölz, der zudem bedauert, dass die Wahl für Amman in eine unglückliche Zeit gefallen sei, zu der viele schwierige Themen zwar auf dem Weg, aber noch nicht umgesetzt seien. Frank Dehmer sei es gelungen, die Wechselwähler zu mobilisieren, behauptet der Sprecher der Freien Wähler Roland Funk, der bis Sonntag dachte, ein Oberbürgermeister, der viel bewegt und wenig falsch gemacht habe, werde nicht abgewählt. Funk kann sich allerdings vorstellen, dass sich ehemalige Gegner der Bebauung des städtischen Sportplatzes mit dem Einkaufszentrum Nel Mezzo für die Wahl wieder formiert haben.

Kritik an der Bürgerbeteiligung ist sauer aufgestoßen

Sauer aufgestoßen ist dem Fraktionssprecher Frank Dehmers Vorwurf im Wahlkampf, die Bürgerbeteiligung in Geislingen müsse früher einsetzen. Funk hält dagegen, Geislingen sei in diesen Fragen bereits landesweit führend und schon „jetzt bunt und vielfältig unterwegs“.

Der Gal-Sprecher hat den Herausforderer unterstützt

„Da kann man noch mehr machen, mit überschaubareren Themenstellungen für Bürgerräte zum Beispiel“, sagt dagegen der Grünen-Sprecher Bernhard Lehle dazu, der gleichzeitig den mit dem Pilotprojekt „Mach fünf“ eingeschlagenen Weg lobt. „Mit einigen Dingen ist es bei Herrn Amann sehr zäh vorangegangen“, kritisiert Lehle aber den Umgang des scheidenden OB mit den Themen Schulsozialarbeit und barrierefreier Bahnhof. Er habe Dehmers Kandidatur unterstützt, weil er auf den neuen Besen setze, sagt Lehle über sein eigenes Votum. Für ihn sei das keine Wahl gewesen, bei der die Frustrierten das Zünglein an der Waage gespielt hätten, denn im Wahlkampf habe er immer wieder Menschen getroffen, die sich frischen Wind an der Verwaltungsspitze gewünscht hätten und mal etwas Neues gewollt hätten.

Das sieht der CDU-Gemeinderatssprecher Holger Scheible etwas anders: „Frank Dehmer hat es verstanden, alle Unzufriedenen hinter sich zu versammeln.“ Angesichts des Aufhausener Wahlergebnisses, wo Dehmer 74 Prozent der Stimmen erhielt, rechtfertigt Scheible den Planungsstand für die dortige künftige Halle so: „Wir sind im Gemeinderat konsequent in die Vorbereitungen für den Bebauungsplan gegangen, das war keine Scheingeste.“ Der langjährige CDU-Gemeinderat, der inzwischen den vierten Oberbürgermeister in Geislingen erlebt, bedauert das allgemein geringe Interesse der Menschen an der Kommunalpolitik.