Als Liebling des Stuttgarter Publikums tanzte er alle großen Cranko-Ballette. Jetzt erfüllt sich Marijn Rademaker einen Traum seiner Kindheit – als Wirt im Altstadtrestaurant Yafa.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stutgart - Als Kind dachte der vor 40 Jahren in Nijmegen geborene Tänzer Marijn Rademaker, Deutschland biete nicht viel mehr als qualmende Fabriken, und der Himmel sei immerzu grau. Beim ersten Urlaub in der Eifel entdeckte er, dass alles gar nicht so schlimm ist. 15 Jahre lang prägte der Holländer mit den engelsgleich hellen Haaren das Stuttgarter Ballett. 2015 zog es ihn zurück in die Heimat – als Solotänzer zum Niederländischen Nationalballett nach Amsterdam. Tänzer, die alles geben, muten ihrem Körper viel zu. Ein Knorpelschaden im Knie sorgte für sein Karriereende auf der Bühne – als Choreograf machte er weiter und blieb seiner künstlerischen Liebe treu. Doch der sympathische, starallürenfreie Blondschopf, dem die Herzen des Publikums zufliegen, hat noch weitere Lieben.

 

Mit 18 Jahren kam er nach Stuttgart zur Reid Anderson

Seine zweite Liebe ist die Gastronomie. „Schon als Kind hab ich die Serviette über meinen Unterarm gelegt und für meine Familie gekellnert“, erzählt Rademaker lächelnd im Restaurant Yafa, das er gerade mit Elwira Lerche umbaut. Als ihm seine Eltern zu Weihnachten eine elektronische Gastro-Kasse schenkten, war sein Glück perfekt. Dann aber beherrschte der Tanz sein Leben. Der Holländer war süße achtzehn, als ihn Intendant Reid Anderson nach Stuttgart holte und seine einzigartige Karriere begann.

Die dritte und größte Liebe von Marijn heißt Matteo Miccini. Der aus Florenz stammende Tänzer feiert am Sonntag Premiere in „Onegin“ – einem Cranko-Ballett, in dem Rademaker oft mitgewirkt hat. Wie fühlt es sich an, im Publikum zu sitzen? „Ich werde wegen Matteo aufgeregter sein als früher bei meinen Premieren“, lautet die Antwort.

Der legendäre Intendant war Stammgast beim Brunnenwirt

John Cranko spielt im Leben des Holländers eine wichtige Rolle. Reid Anderson vertraute ihm die Klassiker an. Und jetzt ist Marijn Rademaker dort angekommen, wo Cranko oft war. „Beim Brunnenwirt war er Stammgast“, weiß der 40-Jährige, die Altstadt mit ihren Schwulenbars zog den viel zu früh gestorbenen Choreografen an.

Wenige Meter vom Brunnenwirt entfernt befindet sich das Yafa, das ein Frauenpaar nach dem Auszug des veganen Restaurants Xond zum Erfolg geführt hat. Die letzte Besitzerin hat sich entschieden, nur mit Catering weiterzumachen. Rademaker findet Stuttgart viel schöner als Amsterdam. Unbedingt wollte er zurück, nicht nur wegen Matteo. Als freier Choreograf und Filmautor arbeitete er, als er vom Leerstand des Altstadtlokals erfuhr. Sein Kindheitstraum meldete sich heftig zurück. Ja, endlich konnte er seinen alten Plan angehen, einen Ort der besonderen Gastfreundschaft zu eröffnen. Die Lage im Leonhardsviertel – unweit von Kulturtreffs wie dem Bix, an der viel befahrenen Hauptstätter Straße – erinnert ihn an das pralle Leben von Amsterdam.

Zwei Köche aus Israel ziehen nach Stuttgart

Die holländische Metropole der Grachten steht für Vielfalt, Toleranz, Diversität und Offenheit, was Rademaker liebt. Der Geist davon soll sich im Yafa ausbreiten. Der Koch Victor Cabrero Pernas zieht für dieses besondere Gastro-Projekt aus Israel nach Stuttgart. Sein Kollege Itzik Vanunu, ebenfalls ein Israeli, kommt aus Rotterdam. Bekannt ist er für selbst gemachte Sirups für Cocktails.

Die Multi-Kulti-Küche Israels steht für Vielfalt. Für die Einrichtung hat sich der Neugastronom mit Beraterin Elwira Lerche viel Zeit gelassen. Sein Bruder Michiel Rademaker, ein Graffiti-Künstler, und Jeroen von the Olifants haben Zitate aus dem Ballett oder vom Fernsehturm auf zuvor weiße Wände gezaubert sowie den Innenhof verschönert. Ein Wohlfühlort ist entstanden.

Ende November soll’s losgehen

Ende November soll’s mit 50 Innenplätzen (später kommt der Außenbereich hinzu) losgehen. An welchem Tag genau, ist unklar. Dies hängt davon ab, wie schnell die Köche starten können. Eines aber ist klar: Die große Stuttgarter Ballettfamilie – dazu gehören Ensemble und Publikum – erhält einen neuen Treff für gesellige und schöne Runden.

Marijn Rademaker, der Chef, wird sich am Anfang „voll reinknien“. Schon als Künstler war er bekannt für Perfektion. Später will er einen Manager fürs Yafa einstellen, um Zeit zu haben, gelegentlich zu choreografieren. Es ist schön, wenn ein Mann mit drei Lieben keine davon vernachlässigen muss.