Youtuber Konstantin Flemig Warum ein Böblinger Kriegsreporter im Netz gefragt ist

Konstantin Flemig an der Front in der Ukraine Foto: Flemig/privat

Der Kriegsreporter Konstantin Flemig berichtete aus Syrien oder der Ukraine. Heute klärt der gebürtige Böblinger auf Youtube über globale Konflikte auf. Das Interesse ist groß.

Böblingen: Martin Dudenhöffer (dud)

Auf einem Panzer stehend, an eine von Einschusslöchern durchsiebte Hauswand gelehnt oder Schutz suchend in einem zerbombten Haus – Konstantin Flemig hat als Kriegsreporter schon zahlreiche einprägsame und brenzlige Situationen erlebt. Er filmte und recherchierte im Irak und Syrien, als der Islamische Staat auf dem Vormarsch war. Und er berichtete von den Kriegsverbrechen der russischen Armee im ukrainischen Butscha im Jahr 2022 und sprach für ein öffentlich-rechtliches Format mit Kriegsopfern in der Ukraine.

 

Regelmäßig tritt der gebürtige Böblinger öffentlich auf. Zuletzt war er in Wendlingen (Kreis Esslingen) und referierte dort über seine Fronterfahrungen. Auch bei der 37 Grad-Reportagereihe vom ZDF war der Journalist jüngst zu Gast. Besonders aktiv ist der 36-Jährige allerdings im Netz: 200 000 Follower haben seinen Youtube-Kanal „Konstantin Flemig – Kriegsreporter“ abonniert. 20 000 folgen ihm auf TikTok, 4600 auf Instagram. Zuletzt richtete sich der Fokus auf den indischen Subkontinent, wo sich zwei Atommächte feindlich gegenüberstehen: „Indien greift Pakistan an. Kommt jetzt der große Krieg?“, fragt Flemig in seinem aktuellsten Video auf Youtube.

Russland-Ukraine, Israel-Gaza, Indien-Pakistan – die Liste der Regionen, in denen Krieg herrscht, wird Jahr für Jahr länger. Das Angebot des Kriegsreporters, online aufzuklären, trifft daher einen Nerv. Ist sein „Markenthema“ angesichts der Flut schlechter Nachrichten nicht zu schwer in diesen Zeiten? Konstantin Flemig sagt Nein: „Viele wünschen sich mehr tiefgründige Erklärungen und Einordnungen zu den Nachrichten. Vor allem die Kriege, die am ehesten Auswirkungen auf sie selbst haben, sind interessant“, betont der in Mainz lebende Reporter.

Berichten heißt auch „nicht vergessen“

Ein weiterer Grund, Kriege redaktionell zu begleiten, ist ein Auftrag, der über das Journalistische hinausgeht. „Wir sollten nicht außer Acht lassen, dass der Krieg in der Ukraine unvermindert weitergeht und täglich unschuldige Menschen getötet werden. Wenn wir nicht berichten, vergessen wir die Hauptleidtragenden, die Zivilisten vor Ort“, betont der Reporter. Vor drei Jahren war der Böblinger besonders nah dran, als er die von Russland in Schutt und Asche gelegte Stadt Butscha besuchte. Flemig hatte für eine Reportage Menschen wie den kleinen Vadym oder die Rentnerin Halina interviewt, die nach den Massakern Vater beziehungsweise Sohn verloren hatten.

Wie schätzt der Böblinger die Situation in der Ukraine ein und wie hoch ist die Chance, dass bald Frieden herrscht? „Wir haben einen Abnutzungskrieg. Für die Ukraine stellt sich die Lage aber schwieriger dar, weil sie abhängig ist von der internationalen Unterstützung. Und Russland sieht bislang wenig Grund, den Krieg zu beenden“, sagt der 36-Jährige. Für Deutschland bedeute die erratische Außenpolitik des US-Präsidenten, dass es seine Rolle auch militärisch neu suchen müsse. Die Vollkaskoversicherung, die die USA bot, sei wohl vorbei. Europa stehe nun „mit heruntergelassener Hose“ da. „Künftig müssen wir selbst für unsere Sicherheit sorgen“, vermutet Flemig.

Wir leben in bedrohlichen Zeiten

Der Kriegsreporter weist auf etwas hin, dass viele verängstigt, aber in den heutigen Zeiten dennoch nicht verschwiegen werden sollte: „Russland bleibt gefährlich. Wir haben es mit einem skrupellosen Diktator zu tun, der bis an die Zähne bewaffnet seine Nachbarn überfällt. Auch ein Szenario, in dem Russland Nato-Gebiet angreifen könnte, müsse bedacht werden. Das Denken, bis jetzt ginge ja alles gut, könnte böse ausgehen.“ Manchmal ertappe auch er sich dabei, wie er sich Zeiten zurückwünscht, in der existenzielle Bedrohungen nicht so alltäglich waren. „Ich denke auch an die Jahre, in denen Pferdefleisch in der Lasagne unser größtes Problem schien“, so der Böblinger.

Nicht alles so nah an sich ranlassen, ist auch die Devise, wenn Konstantin Flemig sein Postfach in den Sozialen Medien oder die Kommentarspalten liest. Seit Jahren schon tummeln sich dort nämlich Bots oder wahrhaftige Personen herum, die Flemigs Arbeit geringschätzen. „Ich würde abwechselnd schon als Islamist, Nazi, Linksextremist, Jude, Armenier oder Kurde ‚beschimpft’. Das ist zwar absurd, aber ich sehe es mittlerweile aber unter dem Motto: ‚Viel Feind, viel Ehr’“, erläutert Flemig seinen Umgang mit Hassnachrichten. Und so will der 36-Jährige seinen Weg weitergehen – ob nun an den Kriegsfronten dieser Welt oder im Internet, wo mitunter auch Heckenschützen lauern.

Ein Reporter zwischen den Fronten

Herkunft
Konstantin Flemig wurde 1988 geboren. Er wuchs in Böblingen auf und besuchte dort Kindergarten und Schule.

Reportagen
Der Journalist ist Filmer, Fotograf und Reporter. Er war in Syrien, Irak, den kurdischen Gebieten, Somalia, Afghanistan und der Ukraine.

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