Die Kirchen müssen sich für eine Zukunft wappnen, in der sie nur nocheine Minderheit vertreten. Und das viel konsequenter als bisher, kommentiert Michael Trauthig.

Familie, Bildung, Soziales : Michael Trauthig (rau)

Stuttgart - Einerseits sind die Zahlen alarmierend, die die Freiburger Forscher den Kirchen präsentieren. Andererseits sind sie nicht überraschend. Der Schwund der Kirchenmitglieder etwa hält schon seit Jahren an. Die neue Studie verlängert nur diese Entwicklung in die Zukunft. Auch muss es für die beiden großen Religionsgemeinschaften nicht in allen Aspekten so schlimm kommen, wie die Wissenschaftler sagen. So wurde schon lange geunkt, dass die Kirchensteuereinnahmen zurückgehen. Doch geschehen ist – dank der guten Konjunktur – das Gegenteil. Derartiges ist auch künftig nicht ausgeschlossen.

 

Die Religionsführer sollten noch stärker die Bedürfnisse der Menschen in den Blick nehmen

Ohnehin haben sich die kirchlichen Haushalter in der Regel für finanziell klammere Zeiten gerüstet und zum Beispiel in Württemberg mit großen Rücklagen Vorsorge getroffen. Dennoch sollten die Freiburger Prognosen die Verantwortlichen aufrütteln. Sie haben bisher die Dramatik des Traditionsabbruches nämlich unterschätzt. Die Minuszahlen bei den Gläubigen wurden vor allem mit der Demografie erklärt. Nun zeigt sich, dass andere Faktoren bedeutsamer werden: Zu viele kehren den Kirchen den Rücken, zu wenige Kinder werden getauft. Der Glaube verflüchtigt sich, weil er in den Familien kaum gelebt und seltener von Generation zu Generation weitergegeben wird. Gegen diese Entwicklung kämpfen die Kirchen zwar tapfer und fantasievoll an – etwa mit neuen Gottesdienstangeboten, Wiedereintrittsstellen oder Profilgemeinden – aber ein durchgreifender Erfolg bleibt aus.

So ist es Zeit für den Abschied von der Illusion, als Kirchen seine Stellung behaupten zu können. Wenn die Christen nur noch eine Minderheit in der Republik sind, werden die gesellschaftlichen Privilegien der Kirchen fallen. Die Religionsführer sollten daher ihre Selbstsicherheit aufgeben und noch stärker die Bedürfnisse der Menschen in den Blick nehmen.