Das Horst-Wessel-Lied, Hymne der SA, kommt heutzutage als Hardrock oder „White power rap“ daher – und findet als solchen wachsenden Zuspruch. Braun gestimmte Musik spielt als Magnet für Neonazi-Nachwuchs eine zunehmend bedeutsame Rolle, warnt der Verfassungsschutz.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart - Der römische Komödiendichter Plautus hat also doch recht. Von ihm stammt die Weisheit, dass Namen auch Vorzeichen seien. Manchmal sind Namen regelrecht verräterisch. Welche Art von Kunst ist zum Beispiel von Musikgruppen zu erwarten, die Volksverhetzer, Hassgesang, Braune Brüder, Landser oder Erschießungskommando heißen?

 

4500 Besucher bei rechtsextremistischen Liedermachern

Solche Bands gibt es wirklich. Und sie erfreuen sich wachsenden Zuspruchs. Nach Erkenntnissen des Bundesamtes für Verfassungsschutz hat die Zahl rechtsextremistischer Musikveranstaltungen 2017 zum dritten Mal in Folge zugenommen. Während das Interesse an Skinhead-Bands und rassistisch gestimmtem Hardrock („National Socialist Black Metal“) eher stagniert, haben einschlägig inspirierte Liedermacher verstärkten Zulauf. Die Verfassungsschützer zählten voriges Jahr 88 solcher Veranstaltungen, 24 Prozent mehr als 2016. Insgesamt kamen dazu 4500 Besucher. Ein Promi unter den braunen Barden ist Frank Rennicke, den die NPD schon zweimal auch als Kandidat bei Bundespräsidentenwahlen nominiert hat.

Braun gestimmte Musik hat eine „wichtige Funktion als Mobilisierungsmedium“

„Musik ist das ideale Mittel, Jugendlichen den Nationalsozialismus näher zu bringen“, findet Ian Stuart Donaldson, Frontmann der Skinhead-Band Screwdriver, der auch zu den Gründern des rechtsextremistischen Netzwerks Blood & Honour gehört. Was Leute wie er in Mikrofone plärren, hat laut Verfassungsschutz „eine wichtige Funktion als Mobilisierungsmedium“. Zu den Rechtsrock-Konzerten kamen 2017 insgesamt 8500 Leute, 140 im Durchschnitt. Allein zu einer Veranstaltung mit dem Titel „Rock gegen Überfremdung“ vor einem Jahr im thüringischen Themar pilgerten 6000, um zeitgenössische Varianten des Horst-Wessel-Lieds zu hören. Die sind nicht weniger garstig als die Vorbilder aus den Liederbüchern der SA.

Die braune Musikszene ist international eng vernetzt. Sie veröffentlicht ihre CDs dort, wo das Strafrecht besonders nachsichtig ist. So kommt es, dass ein „Polacken-Tango“ der Neonazi-Combo Landser bei den ansonsten verhassten Polen bestellt werden muss. Nach Erkenntnissen des Musiksoziologen Jan Raabe sind solche Hasslieder eine „lukrative Einnahmequelle“ zum Beispiel für neonazistische Kameradschaften.