Ein Ausschluss Russlands aus dem internationalen Zahlungsnetzwerk Swift gilt als eine der härtesten Sanktionsmöglichkeiten. Doch im EU-Strafpaket ist es nicht enthalten. Was würde der Einsatz dieses Instruments bewirken?

Mit starken Worten waren die Strafmaßnahmen gegen Russland angekündigt worden: „Sehr hohe Kosten“, so hieß es immer wieder, werde der Einmarsch in die Ukraine haben. Nun ist das EU-Sanktionspaket zumindest in Grundzügen bekannt – und das schärfste Schwert des Westens ist darin nicht enthalten: Das globale Zahlungsabwicklungssystem Swift bleibt wie der Öl- und Gassektor ausgenommen.Die russischen Banken werden nicht vom System ausgeschlossen – „vermutlich weil die Europäer Wege brauchen, um weiter russische Gasimporte zu bezahlen“, wie Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer meint.

 

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Offenbar hat sich auch Deutschland dagegen ausgesprochen, dieses Instrument jetzt zu nutzen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) argumentierte, man solle zunächst bei dem über Wochen vorbereiteten Sanktionspaket bleiben. Alles andere müsse man sich „aufbehalten für eine Situation, wo das notwendig ist, auch noch andere Dinge zu tun“ – ohne auf Swift und die Situation einzugehen.

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So befürwortet selbst CDU-Chef Friedrich Merz, der sich vor Wochen an der Stelle noch verhalten gezeigt hat, einen Ausschluss der Russen aus Swift. „Wenn die EU-Kommission einen solchen Vorschlag machen sollte, sollte Deutschland ihn nicht verhindern“, drängte er.

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sagte, man könne Russland aus dem Währungssystem ausschließen, wenn Russland Kiew weiter bombardiere. Aber man müsse bei Sanktionen immer sehen, wer davon stärker betroffen werde: Russland oder der Westen. Was könnte Swift konkret bewirken? Dazu ein Überblick.

Was ist Swift?

wift ist ein weltweites Netzwerk für die Abwicklung von Zahlungen und Wertpapiertransaktionen. Genau genommen geht es um die Übermittlung elektronischer Nachrichten, mit denen Geschäfte zwischen Banken abgeschlossen werden. „Swift bildet dafür einen rechtsgültigen Rahmen“, erläutert Bernd Richter, Zahlungsverkehrsexperte bei FIS, einem Technologiedienstleister für Finanzinstitute und Händler.

Die Abkürzung Swift steht für „Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication“, zu Deutsch: Gesellschaft für weltweite Finanzkommunikation zwischen Banken“. Ihren Sitz hat die Gesellschaft in Belgien, Eigentümer sind 3500 Finanzinstitute aus aller Welt.

Warum ist Swift so wichtig?

Swift verbindet 11 000 Finanzinstitute aus rund 200 Ländern. Würden russische Banken von diesem Netzwerk abgekoppelt, so könnten sie grenzüberschreitende Zahlungen und Wertpapiertransaktionen im Prinzip auch auf Basis bilateraler Vereinbarungen mit einzelnen Partner-Instituten abwickeln. Die Allianz weist außerdem darauf hin, dass Russland ein kleineres Netzwerk aufgebaut hat, an das auch deutsche und Schweizer Banken angeschlossen sind.

„Es ist aber davon auszugehen, dass mit einem Ausschluss von Russland aus dem Swift-Netzwerk auch Sanktionen für Banken einhergingen, die auf anderen Wegen Geschäfte mit russischen Instituten machen“, sagt Volker Brühl, Finanzprofessor und Geschäftsführer des Center for Financial Studies an der Universität Frankfurt. Die Sanktionen gegen den Iran hätten gezeigt, dass auf diese Weise die Handelsgeschäfte eines Landes massiv eingeschränkt werden könnten. „An dem Beispiel sieht man, wie scharf dieses Schwert ist.“

Was wären die Folgen?

Eine Abkopplung Russlands vom internationalen Zahlungsverkehr würde „allen weh tun, nicht nur den russischen Häusern“, sagt Brühl. Europäische Banken könnten Verbindlichkeiten russischer Schuldner nicht mehr eintreiben. Im schlimmsten Fall könnten auch europäischen Unternehmen in Zahlungsschwierigkeiten geraten, die stark in Russland engagiert sind.

Firmen, die auf unbezahlten Rechnungen russischer Kunden säßen, seien häufig durch Exportbürgschaften abgesichert. „Aber klar ist: für neue Ausfuhren wird man solche Bürgschaften jetzt nicht mehr bekommen“, so Brühl.

Wie viel Geld haben europäische Banken im Feuer?

Laut Berechnungen der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) belaufen sich die offenen Forderungen deutscher Banken in Russland und der Ukraine zusammen auf acht Milliarden Dollar (sieben Milliarden Euro). Das entspricht aber nicht einmal einem halben Prozent der gesamten Auslandsforderungen deutscher Institute, wie aus Daten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) hervorgeht. Stärker betroffen sind laut LBBW französische, italienische und österreichische Banken, die zum Teil über Tochtergesellschaften in Russland aktiv sind.

Die LBBW selbst unterhält in Moskau eine Repräsentanz, die deutsche Unternehmen bei Geschäften in Russland berät, sowie das sogenannte German Centre mit Konferenzräumen und Veranstaltungsservice. Die beiden Einrichtungen betreiben aber keine Bankgeschäfte.

Hätte Russland bei einem Swift-Ausschluss Ausweichmöglichkeiten?

„Es könnte versucht werden, Zahlungen mithilfe von Bitcoin und anderen Krypto-Währungen abzuwickeln“, meint FIS-Experte Richter. Unterbinden ließe sich das kaum, „weil bei vielen Online-Handelsbörsen, auf denen man offizielle Währungen in Bitcoin umtauschen kann und umgekehrt, Konten auch unter falscher Identität eröffnet werden können.“ CFS-Geschäftsführer Brühl dagegen meint, Kryptowährungen wie Bitcoin taugten wegen ihrer Schwankungen nicht als Zahlungsmittel.

Könnte China Russland aushelfen?

Dass Russland internationale Zahlungen auf dem Umweg über China abwickeln könnte, hält Brühl für abwegig: „China macht seinen internationalen Zahlungsverkehr über Swift, und in dem System wäre sichtbar, wenn das Geld am Ende auf russischen Konten landete. Dieses Risiko wird China nicht eingehen.“

Der Konjunkturchefs des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Stefan Kooths, sieht eine andere Gefahr: Dass Peking gegen einen Ausschluss Russlands aus Swift Widerstand leisten und so in einen ernsthaften Konflikt mit den USA und der EU geraten könnte. In dem Fall „wäre eine Weltwirtschaftskrise nicht zu vermeiden“, warnt Kooths.

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