Die Wirtschaft muss nicht im Februar zu den 22-stelligen Nummern des Sepa-Zahlungssystems wechseln, da Chaos droht. Brüssel zieht deshalb die Reißleine.

Stuttgart - Überraschend hat die EU-Kommission am Donnerstag den Start des einheitlichen europäischen Zahlungsverkehrs (Sepa) um ein halbes Jahr verschoben. Ursprünglich sollten Buchungen von Unternehmen und Vereinen spätestens zum 1. Februar auf das neue System umgestellt sein, das im deutschen Fall eine 22-stellige Kontonummer beinhaltet. Angesichts der schleppenden Vorbereitung zog der zuständige Kommissar Michel Barnier jetzt die Notbremse, um ein Chaos zu verhindern. „Ich bedauere das, aber diese Maßnahme ist nötig, um mögliche Risiken einer Störung des Zahlungsverkehrs zu verhindern, die besonders für Verbraucher und kleine und mittelständische Unternehmen Folgen haben könnten“. Nun gilt – da die EU-Regierungen und das Europaparlament dem Vorschlag wohl zustimmen werden – der 1. August als neuer Stichtag.

 

Sorge war groß, dass es zu längeren Zahlungsausfällen kommt

Die Bundesregierung reagierte mit Befremden auf den Vorstoß aus Brüssel. Er „war Deutschland nicht im Vorfeld bekannt“, teilte das Finanzministerium mit. Man habe sich „mit Nachdruck dafür eingesetzt, dass Deutschland die Sepa-Umstellung rechtzeitig zum 1. Februar schafft und wird dies auch weiter tun“.

In der EU-Kommission dagegen war die Sorge groß, dass es zu längeren Zahlungsausfällen und damit zu Firmenpleiten und Verbraucherinsolvenzen kommen könnte, wenn Überweisungen im alten Format gesperrt werden und ausbleiben. „Ich habe mehrmals darauf hingewiesen, dass die Umstellung zu langsam voranschreitet, und fordere nun die Mitgliedstaaten erneut dazu auf, sich ihrer Verantwortung zu stellen“, sagte Barnier. Bei den Überweisungen sind den Angaben seiner Behörde zufolge drei Wochen vor dem nun verschobenen Starttermin nur 64,1 Prozent auf das neue System umgestellt; bei Lastschriften sind es gar nur 26 Prozent. Auch der Bundesverband deutscher Banken hatte erst vor wenigen Tagen Alarm geschlagen und die Lage als „besorgniserregend“ bezeichnet.

Man verspricht sich Vorteile vom einheitlichen Zahlungsraum

Deutschland ist dennoch weniger von der Ankündigung betroffen als andere EU-Staaten. Normale Bankkunden nämlich müssen hierzulande ohnehin erst 2016 auf die lange Iban-Kontonummer umsteigen. Von dieser Verlängerungsoption hatte die Bundesregierung zusammen mit Estland, Spanien, der Slowakei und Zypern schon kurz nach der Beschlussfassung 2011 Gebrauch gemacht. Offensichtlich, so hieß es im Finanzministerium, komme die EU-Kommission mit ihrem Schritt vor allem den anderen Staaten entgegen.

Trotz der schwierigen und auch teuren Umstellung versprechen sich die Akteure in Brüssel wie in Berlin große Vorteile von dem einheitlichen Zahlungsraum. Dann können Lastschriften und Überweisungen einheitlich zwischen allen 28 EU-Staaten sowie Island, Liechtenstein, Norwegen, Monaco und der Schweiz getätigt werden. Dann reicht allen Kunden ein Konto für alle Bankgeschäfte innerhalb Europas.