Jeder kennt sie, jeder hasst sie, jeder will, dass sie schnell wieder weggehen. Zahnschmerzen. Und es gibt die Angst vor dem Zahnarzt. Die kann so schlimm sein, dass sie krankhaft und noch schlimmer als das Zahnweh ist.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Stuttgart - Es zieht und zwickt, pocht und sticht. Anfangs nur ganz leicht, dann immer stärker. Wenn die Pein zu groß wird und weder Hausmittel noch Schmerztabletten helfen, muss man zum Zahnarzt. Der schwere Gang zum Dentistenlässt sich nicht mehr aufschieben. Hoffentlich wird er den schmerzenden Beißerchen alsbald Linderung verschaffen.

 

Heilige Apollina, zahnlose Jungfrau: Bitte für uns!

Wenn fromme Christen unter Zahnschmerzen leiden, erhoffen sie sich von den Bittgebeten an Apollonia –Patronin der Zahnärzte und Schutzheilige bei Zahnkrankheiten – Linderung von ihrer Pein und Stärke im Ertragen der Schmerzen.

Heilige Apollonia, ein armer Sünder steh ich da. Mich schmerzen meine Zähne. Lass Dich doch bald versöhnen. Und schenk mir Ruh in mein Gebein, dass ich vergess der Zahnweh Pein.“

Der frommen Legende nach musste die Jungfrau Apollonia höllische Qualen erleiden, als Schergen des römischen Kaisers und Christenverfolgers Decius (249-251) die Kinnlade zertrümmerten und alle Zähne ausschlugen. Anschließend wurde die zahnlose Märtyrerin bei lebendigem Leib verbrannt.

Apollonia wird in der sakralen Kunst mit den Attributen ihres Martyriums dargestellt: Märtyrerpalme, Krone, Zange und Zähne. Papst Johannes XXI. (1276-1277) riet den Gläubigen, bei Zahnschmerzen zur zahnlosen Jungfrau zu beten.

Zahnbrecher und Dentisten

Die heute in Deutschland tätigen Dentisten dürfen nur mit Approbation ihren Beruf ausüben. Das war nicht immer so. Im Mittelalter priesen Quacksalber und Kurpfuscher marktschreierisch ihre angeblichen ärztlichen Kunstfertigkeiten an. Diese „Zahnbrecher“ und „Zahnreißer“ prahlten mit ihrer Geschicklichkeit und Kunst, die sie allerdings – zum Schaden ihrer bemitleidenswerten Patienten – selten wirklich beherrschten.

Der erste „Dentist“ ging nachweislich vor 14 000 Jahren seinem stomatologischen Gewerbe nach. Das belegt ein kariöser Backenzahns, der 1988 in der Felshöhle von Riparo Villabruna bei Sovramonte in Norditalien gefunden wurde. Er gehörte einem Mann, dem ein vorzeitlicher Heilkundiger sein faules Beißerchen gezogen hatte.

„Der Backenzahn aus Villabruna beweist, dass es bereits vor mindestens 14.000 Jahren, in der jüngeren Altsteinzeit, erste Eingriffe an kariösem Zahngewebe gab“, erklärt der Anthropologe Ottmar Kullmer, Experte für Evolution und Funktionsmorphologie von Urmenschen-Zähnen im Senckenberg Forschungsinstitut in Frankfurt am Main.

Zahnwurm – Wurzel allen Übels

Bis in die Neuzeit hielt sich der Glaube, dass der Zahnwurm (englisch: Tooth worm) für Karies verantwortlich sei. Scribonius Largus, Leibarzt von Kaiser Claudius empfahl Mitte des ersten Jahrhunderts n. Chr. zur Behandlung Räucherungen und Spülungen, Einlagen und Kaumittel.

Hildegard von Bingen (1098-1179), die große heilkundige Nonne vom Rhein, erkannte schließlich, dass nicht ein Krabbeltier, sondern mangelnde Hygiene die Ursache für Zahnschmerzen war.

Angst vor dem Zahnarzt

Niemand geht gerne zum Zahnarzt. Doch eine echte Angst vor dem Zahn-Spezialisten – auch Zahnbehandlungs-, Dental- oder Odontophobie genannt – geht noch weit darüber hinaus. „Bei einer Zahnbehandlungsphobie erscheinen Betroffene erst gar nicht in der Praxis und das oft über viele Jahre hinweg“, erklärt Peter Jöhren, Fachzahnarzt für Oralchirurgie und Leiter der Zahnklinik Bochum.

Laut Bundeszahnärztekammer (BZÄK) leiden fünf bis zehn Prozent der Menschen in Deutschland unter einer Zahnbehandlungsphobie. Dabei handelt es sich um eine psychosomatische Angsterkrankung. Betroffene geraten regelrecht in Panik, wenn sie auch nur an den Besuch beim Zahnarzt denken.