Kaum, dass sich „Der Bergdoktor“ in die Pause verabschiedet hat, schickt das ZDF zwei neue Bergserien ins Rennen: An diesem Donnerstag startet „Hanna Hellmann“ ihre Hilfsbereitschafts-Offensive in einer Tiroler Almhütte.

Stuttgart - Natürlich gibt es wirksamere Antidepressiva als einen Tag in den Bergen – zum Beispiel eine Woche in den Bergen. Aber wenn die Unbill des Alltags – etwa in Form von Geldmangel, Urlaubstage-Mangel, Fitnessmangel oder Sonnenschein-Mangel – die therapeutisch sinnvolle Verabreichung dieser Medikation verhindert, helfen zur Not womöglich auch ein paar bewegte Bergbilder im Wohnzimmer. Selbige werden gerne aus der Luft gefilmt, sodass schroffe Gipfel und sanfte Wiesen erquicklich lebendig wirken – vorzugsweise unterlegt mit sehnsüchtigen Gitarrenklängen oder auch dem wirklichkeitsnahen Muhen einer Kuh.

 

So oder so ähnlich mag man sich das beim ZDF gedacht haben: Kaum, dass das furiose Finale der achten Staffel der alpinen Arztserie „Der Bergdoktor“ allein in Deutschland sieben Millionen Zuschauer vor den Fernsehapparat gelockt hat, nutzt der Sender die Pausen des Publikumsmagneten und seiner üblicherweise von rund fünf Millionen Leuten verfolgten Schwesternserie „Die Bergretter“ – und schickt auf dem Donnerstags-Prime-Time-Sendeplatz unter der Rubrik „Neue Heimatfarben“ gleich zwei neue Bergserien ins Rennen um Marktanteile. An diesem Donnerstag startet „Hanna Hellmann“, wobei es eine Kölner Rechtsanwaltsgehilfin dieses Namens in eine Tiroler Berghütte verschlägt; am 9. April folgt ebenso kreativ stabreimend „Lena Lorenz“: Da arbeitet eine charakterstarke Hebamme vor bayerischen Bergen.

Jeweils zwei Folgen der beiden neuen Reihen hat das ZDF drehen lassen – über das weitere Wohl der patenten Frauen Hanna und Lena soll die Zuschauergunst entscheiden. Doch zumindest Hanna dürfte es nicht leichtfallen, den Quotenerfolg des „Bergdoktors“ zu wiederholen, obwohl Diana Staehly als Hauptdarstellerin ihre Figur mit hinreichend Sympathiepunkten ausstattet und sie den Bergführer, in den sich Hanna gleich in der ersten Folge verliebt, so wunderhübsch anhimmelt, wie es eben nur in den Bergen möglich ist. Ziemlich an den Haaren herbeigezogen ist hingegen der Plot. Weil Hanna nach dem Heiratsantrag ihres Stadtfreundes Reißaus nimmt, verschlägt es sie mehr oder weniger zufällig auf die Tiroler Berghütte. Dort bietet man ihr den Job als Hilfs-Hüttenwirtin und ehrenamtliche Schlichterin an.

Der Berg ist in – auch im Pop

Sie sagt zu, als existiere kein Abstieg in Tal mit Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr. Und sie kümmert sich – in frappierender Anlehnung an das „Bergdoktor“-Grundmuster – aufopferungsvoll um die Probleme ihrer Mitmenschen. Während der „Bergdoktor“ jedoch richtig gut gemacht und auch durchdacht ist, beschleicht den Zuschauer bei „Hanna Hellmann“ das Gefühl, hier gehe es dem ZDF vor allem darum, den Erfolgsritt auf der Bergwelle bis zum Ende der „Berdoktor“- und „Bergretter“-Pause zu verlängern.

Denn Berg ist in – in der populären Kultur. Hubert von Goisern etwa, der seit Jahrzehnten Pop und Jodeln verschmilzt, beendete erst vor kurzem seine erfolgreichste Tournee aller Zeiten. Im Mai veröffentlicht er den Nachfolger seines vielfach ausgezeichneten letzten Albums. Wolfgang Ambros tourte bis vor kurzem jahrelang höchst erfolgreich mit seinem lange in der Versenkung verschwundenen Siebzigerjahre-Rockmusical „Der Watzmann ruft“. Der Wiener „Tatort“-Kommissar Harald Krassnitzer wanderte jüngst durch eine aufwendige Berg-Dokumentation und so weiter.

Der Janker ist jetzt peinlich

Klaus Eberhartinger, der Sänger der den Berghype eher vom Tal aus beobachtenden Rockkabarettisten-Truppe Erste Allgemeine Verunsicherung, stellte neulich bei einem Konzert in Stuttgart fest, dass man bis vor kurzem als politisch aufgeklärter Zeitgenosse keinen Trachtenjanker tragen konnte, weil die Rechten das Thema Berg und Heimat okkupiert hatten. Mittlerweile ist ihm der Janker aus einem anderen Grund peinlich: weil die Städter, die sich für hip halten, mit billigen Nachbauten aus Asien zu Massenbesäufnissen pilgern, die sich Volksfeste nennen.

Auch Hanna Hellmann, die neue Bergfee des ZDF, ist an ihrem ersten Abend in Tirol so betrunken, dass sie am nächsten Morgen keinen Schimmer hat, wie sie überhaupt auf die Almhütte gekommen ist. 85 Minuten später glaubt sie zu erkennen, dass sie schon immer auf einer Alm leben wollte. Aber da halten wir es lieber mit dem Original-Tiroler Hansi Hinterseer, der auf seiner lebenslangen Bergaffinität gleich zwei Karrieren begründet hat, eine als Skirennläufer und eine als Schlagersänger. Neulich sang er ein paar Zeilen, die die Faszination Berg schlüssig erklären: „Ich schau hinab ins tiefe Tal / und alle Sorgen sind verschwunden auf einmal. / Ich atme tief die Stille ein / viel schöner kann’s im Paradies auch nicht sein.“ Wir haben diese Zeilen ins Hochdeutsche übersetzt, und wenn wir noch ein bisschen weiter übersetzen würden, könnten wir zu folgendem Ergebnis gelangen: Etwas Tröstlicheres als die Berge gibt’s nun mal nicht zwischen Meer A und Meer B.