Ohne Kitsch und Heldenpathos: Der ZDF-Fernsehfilm „Der Polizist, der Mord und das Kind“ erzählt die wahre Geschichte des Opferschutzkommissars Carlos Benede und seines Adoptivsohns.

Stuttgart - Das ZDF betitelt seine Fernsehfilme gerne plakativ. Oder, wie in diesem Fall, umständlich und irreführend: „Der Polizist, der Mord und das Kind“ (11. Dezember, ZDF, 20.15 Uhr) – das klingt nach Krimi, ist aber keiner. Auch der Hauptdarsteller Matthias Koeberlin ärgert sich: „Vielleicht hätte man noch mehr Schlagwörter finden können, dann hätte man den Film komplett erzählt“, sagt er ironisch. In dem Drama geht es um einen Münchener Opferschutzpolizisten und einen Jungen, dessen Mutter vom Vater getötet wurde. Die wahre Geschichte von Carlos Benede und seines späteren Adoptivsohns Alexander – beide sind hier mit ihren Klarnamen genannt – ist ergreifend und bisweilen kaum zu glauben. Doch die Drehbuchautorin Dorothee Schön und der Regisseur Johannes Fabrick haben sich in allen wesentlichen Fragen strikt an die Vorlage gehalten, an Carlos Benedes Autobiografie „Kommissar mit Herz“.

 

Der Film beginnt mit dem Verbrechen, weitgehend geschildert aus der Perspektive des Kindes. Der elfjährige Alexander wird von seiner Mutter am Abend ins Bett gebracht und bekommt noch mit, dass sie verängstigt bei der Polizei anruft. Die Ordnungshüter postieren sich vor dem Eingang des Wohnblocks, doch der gewalttätige Ehemann gelangt unbemerkt zu Fuß durch die Tiefgarage ins Haus. Als Alexander vom Lärm der Polizei geweckt wird, sieht er seine Mutter erstochen auf dem Küchenboden liegen. Dass Carlos Benede vom Opferschutzkommissariat wie gewöhnlich die Uniform des „Schutzmanns“ anzieht, um bei der ersten Begegnung mit dem traumatisierten Kind Vertrauen zu schaffen, funktioniert in Alexanders Fall nicht so gut. Denn auf die Polizei ist der Junge nicht gut zu sprechen: „Ich rede nicht mit denen. Die haben versprochen, die Mama zu beschützen.“

Koeberlin lässt den Kinder-Darstellern Spiel-Raum

Joshio Marlon, der Darsteller des jungen Alexander, hat in seiner jungen Vita schon zahlreiche Rollen in Kino und Fernsehen („Homeland“, „Dark“, „Das Landgericht“) vorzuweisen. Bemerkenswert, wie präzise der während der Dreharbeiten Zwölfjährige die Wut, den Trotz und insbesondere die etwas unwirklich erscheinende Entschlossenheit seiner Figur spielt. Alexander ist ein ernsthafter, frühreifer Junge, der nach der Tragödie genau weiß, was er will. Er will unbedingt seinen Vater Veljko (Ilir Rexhepi) in der U-Haft besuchen und ihn zur Rede stellen. Er möchte getauft werden, was sein Vater bisher abgelehnt hatte. Und er ist fest entschlossen, im Prozess gegen ihn auszusagen. Auch im Verhältnis zu Carlos ist er die treibende Kraft.

Nicht zu unterschätzen ist zugleich die zurückhaltende Art, wie Matthias Koeberlin die Rolle des Opferschutzkommissars interpretiert. Damit schafft er Spiel-Raum für die Kinderdarsteller und vermeidet eine übertriebene Heroisierung seiner Figur. Und obwohl sich die Beziehung von Carlos und Alexander allmählich in eine Vater-Sohn-Beziehung wandelt, wird aus dem Film kein zuckersüßes Melodram. Carlos selbst, von seiner Mutter verlassen, ist in einem von katholischen Nonnen geführten Waisenheim aufgewachsen, in dem die Kinder nicht misshandelt, sondern respektvoll erzogen werden. In seiner Lehrerin Evi (Jutta Speidel) fand er eine Art Ersatzmutter, die er weiterhin um Rat fragt und nun auch mit Alexander besucht. Das alles wird ganz unprätentiös, ohne Kitsch und Heldenpathos erzählt, nur die Musik stört manchmal.

Der multikulturelle Hintergrund des dunkelhäutigen Carlos Benede, welcher der Sohn einer Spanierin und eines unbekannten Vaters ist, wird durch die Besetzung mit Koeberlin zwar unsichtbar. Auch dessen bayerischer Akzent geht verloren. An der Kernaussage des Films ändert das freilich nichts. „Es geht darum, nachvollziehbar zu machen, wie er gehandelt hat. Das äußere Erscheinungsbild oder der Akzent stehen nicht im Vordergrund“, sagt Koeberlin. Mittlerweile hat Benede in Dachau die „Weitblick-Jugendhilfe“ gegründet. Seine reale Geschichte wurde in dem BR/WDR-Film „Der Kommissar und seine Söhne“ aus dem Jahr 2015 dokumentiert, die noch bis Ende Januar 2018 in der ARD-Mediathek zu finden ist.