Das ZDF-Drama „Ellas Entscheidung“ mit Petra Schmidt-Schaller ist ein gut gespieltes Drama über die Frage, ob man Embryonen mit Gendefekt aussortieren darf oder nicht.

Stuttgart - Man kann aus allem eine Geschichte machen; selbst aus einem Thema wie der Kontroverse um Präimplantationsdiagnostik (PID). Allerdings signalisiert schon der sperrige Begriff, wie groß die Herausforderung ist: weil erst mal erklärt werden muss, worum es sich überhaupt handelt. Und natürlich soll der Film kein Diskurs werden, sondern ein fesselndes Drama. Das wiederum funktioniert erfahrungsgemäß am besten, wenn er von Menschen erzählt, die zur Identifizierung einladen.

 

Geschickt lässt die Autorin Kristin Derfler („Es ist nicht vorbei“) in dem ZDF-Drama „Ellas Entscheidung“ die unterschiedlichen Positionen zu PID von zwei Schwestern verkörpern. Beide sind Trägerinnen einer tödlichen Erbkrankheit. Die ältere, Johanna (Anna Schudt), hat eine gesunde 15-jährige Tochter, Antonia, aber ihr Sohn Lennart leidet unter Muskelschwund, sitzt im Rollstuhl und wird immer schwächer. Johannas jüngere Schwester Ella (Petra Schmidt-Schaller), eine Lehrerin, ist ebenfalls verheiratet, auch sie möchte Kinder. Um ihnen Lennarts Schicksal zu ersparen, entschließen sie und ihr Mann Marcus (Christian Erdmann) sich dazu, Eizellen künstlich befruchten und untersuchen zu lassen. Ist der Embryo gesund, wird er in die Gebärmutter eingepflanzt.

Die Methode ist umstritten. In einigen Ländern ist sie komplett verboten, in anderen erlaubt; in Deutschland allerdings nur mit Einschränkungen. Derfler lässt die Gegner zu Wort kommen, als Antonia (Livia Walcher) ein Referat über PID halten will und dabei von der Entscheidung ihrer Tante erzählt. Prompt macht die Information im Lehrerzimmer die Runde; ein Kollege (Markus Hering) vergleicht die diagnostische Methode mit der Selektion in den Konzentrationslagern. Das ist starker Tobak, spiegelt aber die ethische Dimension der Kontroverse realistisch wider, und Derfler vermeidet auf diese Weise eine akademische Moraldebatte: Wie im wahren Leben wird nicht diplomatisch abgewogen, sondern knallhart aus dem Bauch heraus argumentiert.

Es geht nicht um ein Thema, sondern um Menschen

Die größte Herausforderung neben der Erläuterung der komplizierten Materie war vermutlich die Suche nach dem Mittelweg. Die Sympathien scheinen zwar zunächst klar verteilt zu sein, weil Anna Schudt die ältere Schwester mit Merkmalen versehen muss, die sie verhärmt und ungerecht wirken lassen; kein Wunder, dass Ella, die eindeutig die Identifikationsfigur der Geschichte ist, Johanna zunächst nicht in ihre Pläne einweiht. Nach und nach jedoch wecken Derfler und Regisseurin Brigitte Maria Bertele auch für die Schwester Verständnis; aus ihrer Sicht entwertet Ellas Entscheidung die Lebensberechtigung von Lennart (Joshua van Dalsum).

Letztlich, und das ist die große Stärke des Films, geht es nicht um ein Thema, sondern um Menschen, die ausnahmslos vorzüglich verkörpert werden. Christian Erdmann muss zwar nur wenige Wochen nach dem Gendefekt-Drama „Nur eine Handvoll Leben“ eine ganz ähnliche Rolle als werdender Vater spielen, macht das aber abermals mit viel Gefühl. Bertele, die erst eine Handvoll Filme gedreht hat (unter anderem „Der Brand“ und „Nacht vor Augen“), aber dank diverser Auszeichnungen (zuletzt Grimme-Preis für „Grenzgang“) zu den wichtigsten Fernsehregisseurinnen gehört, ist für ihre ausgezeichnete Schauspielerführung bekannt; gerade Livia Walcher ist als aufmüpfige Tochter Antonia in ihrer ersten Rolle erstaunlich sicher. Alle Beteiligten profitieren von Derflers Vorlage. Der Film kommt sogar ohne die bei komplizierten Themen dieser Art unvermeidlichen Kurzreferate aus; auch das trägt viel dazu bei, dass man sich als Zuschauer eine eigene Meinung bilden kann.