Der Anspruch war hoch: ZDF Kultur wollte das Feuilleton mit dem Pop versöhnen. Mit diesem ambitionierten Programm hat der Spartenkanal aber so wenige Zuschauer erreicht, dass er jetzt über die Klingen springen muss.

Stuttgart - Kündigt ein öffentlich-rechtlicher Sender Sparmaßnahmen bei Kultur und Information an, geht regelmäßig ein Aufschrei durchs Land. Diesmal aber ist die Sache eine Nummer größer, immerhin will das ZDF mit seinem Ableger ZDF Kultur einen ganzen Kanal einstellen. Prompt melden vom Deutschen Kulturrat bis zum Deutschen Journalisten-Verband diverse Institutionen Bedenken an. Tatsache ist aber, dass das Experiment mit dem früheren Digitalableger gescheitert ist: Mit einem Marktanteil von 0,1 Prozent bewegt sich der Sender in einem Bereich jenseits der Wahrnehmungsgrenze. Dieser Luxus kostet das ZDF jährlich immerhin 18 Millionen Euro. Das mag zwar bei einem Gesamtetat von 1,8 Milliarden Euro eine überschaubare Summe sein, aber die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs von ARD und ZDF hat die Mainzer aufgefordert, bis 2016 jedes Jahr 75 Millionen Euro zu sparen. Deshalb hat der Intendant Thomas Bellut die Streichung von 400 Stellen angekündigt.

 

Ein weiterer Aspekt neben dem Spardruck ist der geplante Jugendkanal von ARD und ZDF. Bei den Debatten über ein Angebot für Zuschauer zwischen 14 und 29 Jahren war stets klar, dass das neue Programm aus „Bordmitteln“ finanziert wird; die nötigen Millionen müssen also anderswo eingespart werden. Da die Zahl der Beiboote nicht erhöht werden soll, bleibt den Sendern ohnehin nichts anderes übrig, als jeweils mindestens einen ihrer Minisender einzustellen. Einerseits.

Für Fußball ist Geld da

Andererseits ist das ZDF bereit, für die Rechte an der Champions League mehr als 50 Millionen Euro pro Jahr zu zahlen – und es ist vor allem dieses Missverhältnis, das für Unmut sorgt, schließlich gilt Kultur als Teil der Grundversorgung, während der Fußball zuvor bei Sat 1 ja gut aufgehoben war. Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Kulturrats, wirft dem ZDF vor, es wolle „das junge, kulturinteressierte Publikum aufgeben“. ZDF Kultur sei doch „eine Chance und keine Last“. Und auch Kathrin Senger-Schäfer, Sprecherin der Linken im Bundestag, hält die Einstellung von ZDF Kultur für ein „falsches Signal“. Den Akzeptanzverlust der Öffentlich-Rechtlichen werde man so nicht eindämmen.

Tatsächlich hat der aus dem Theaterkanal hervorgegangene Sender seit seinem Start im Mai 2011 oft positiv auf sich aufmerksam gemacht. Das Programm sollte Feuilleton und Popkultur miteinander versöhnen. Das ist nicht immer gelungen, aber im Gegensatz zum Hauptprogramm zeigte das ZDF hier Mut zu Innovationen. Gleich drei neue Formate waren jetzt für den Grimme-Preis nominiert: die Talkshow „Roche & Böhmermann“, die freilich nur mäßig witzige Sitcom „Götter wie wir“ sowie das Magazin „Kulturpalast“.

Allerdings ist „Roche & Böhmermann“ auch typisch für die gemischten Gefühle, welche die neuen Formate bisweilen ausgelöst haben. Das Konzept der wegen eines Zwists zwischen den Moderatoren mittlerweile eingestellten Talkshow, in der Charlotte Roche und Jan Böhmermann immer wieder aus ihrer Rolle fielen, war schon allein wegen des Versuchs, ausgetretene Plauderpfade zu verlassen, innovativ. Gerade an der Ambivalenz des Konzepts, das die Gastgeber zu Hauptfiguren machte und die Gäste zu Statisten degradierte, schieden sich jedoch die Geister. Gleiches gilt für die meisten Experimente, die bei ZDF Kultur ausprobiert worden sind: Der Mut verdient Respekt, aber nicht selten waren die Sendungen auch Dokumente des Scheiterns – und das keineswegs immer auf hohem Niveau. Bei ZDF Neo war und ist das im Übrigen nicht anders. Das dezidiert für ein junges Publikum entworfene Unterhaltungsprogramm ist mit einem Marktanteil von 0,8 Prozent jedoch deutlich erfolgreicher. Hier dürfte der Großteil jener neuen Formate unterkommen, auf die das ZDF auch in Zukunft nicht verzichten möchte.