In Ischgls Partykneipen dürfte Jan Böhmermann nicht mehr willkommen sein. Im „ZDF Magazin Royale“ hat er sich den Corona-Hotspot gnadenlos vorgeknöpft.

Stuttgart - Eine Pandemie ist ein Naturereignis. Allerdings können wir Menschen so einer Katastrophe mit einem Brandbeschleuniger nachhelfen: mit Idiotie. Wie solche Nachhilfe aussieht, hat Jan Böhmermann in der aktuellen Ausgabe des „ZDF Magazin Royale“ gut verständlich erklären können, am Beispiel des Tiroler Après-Ski-Hotspots Ischgl.

 

Justizakten zum Fall Ischgl

Vom österreichischen Ischgl aus, wo in überfüllten Hotelbars und Kneipen jede Menge Bussi-Bussi-Feiern abliefen, sind im März 2020 Corona-Infizierte in ihre diversen Heimatländer zurückgereist, um dort das Virus weiter zu verbreiten. Pech gehabt, wird mancher abgebucht haben, Ischgl sei eben der auf Distanzverlust spezialisierte Ballermann unter den Wintersportorten. Und im März vorigen Jahres sei Feiernden, Kneipiers und Politikern noch gar nicht klar gewesen, was gerade passierte.

Das Team von Böhmermanns Satiremagazin geht aber wieder mal übers Höhnen und Dissen hinaus. Böhmermann wuchtet einen dicken Papierstapel auf seinen Tisch, die Ermittlungsakten der österreichischen Justiz zum Tourismus-GAU in Ischgl. Aus denen zitiert er nun, und schnell wird klar: Skiliftbetreiber, Schnapsausschenker, Hoteliers und alle Arten Provinzbonzen haben damals sehr bewusst entschieden, Corona zu ignorieren.

Gruselige Zitate

Was Böhmermann an Zitaten montiert, ist wirklich gruselig. Schnell kommt einem Ischgls Entscheiderfilz wie ein Besoffener vor, der in mondloser Nacht mit einer slickbereiften Karre weit jenseits der Geschwindigkeitsbegrenzung eine kurvenreiche Landstraße entlang rast und auf die glorreiche Idee kommt, alle Lichter auszuschalten: Vielleicht sieht ihn dann ja keiner.

Sehr stimmig verknüpft Böhmermann die Ignoranz gegenüber der Pandemie mit einer generellen Ignoranz gegenüber der Realität. In manchen Wintersportgebieten werden immer noch Naturzerstörungsprojekte vorangetrieben, die kurzfristig dem Spaßtourismus dienen und schon mittelfristig auch die Ökonomie schädigen. Aber alle Diskussionen und Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte sind an bestimmten Hinterzimmern vorbeigegangen.

Das Böse vor der Tür

Wer Jan Böhmermann gern vorwirft, er pöble nur herum, sollte sich mal genau anschauen, was der Mann hier mal wieder an Musikparodie liefert. Tommy Tellerlift und die Fangzauner Schneebrunzer präsentieren den Videoclip „Ischgl Fieber (Husti Husti Heh)“, den „ultimativen Après-Ski-Hit der Wintersportsaisons 2021 bis 2150“.

Das ist nicht nur so täuschend echt grauenhaft, dass man es jederzeit als Mitgrölschlager auf die einschlägigen Playlists schmuggeln könnte. Der Clip beantwortet auch die zuvor sich aufdrängende Frage, wie es zur Ignoranz gegenüber Corona und Natur kommen kann. „Ischgl Fieber“ schnürt jene aggressive Partylaune, die Spaß als Abschied vom Zwang zu Vernunft und Selbstkontrolle begreift, zum perfekten Jetzt-begreift’s-jeder-Paket. Die Party in Ischgl ist nicht weitergegangen, weil man von Corona nichts ahnte. Vielmehr sehnt sich diese Art Feierlaune nach etwas Bösem draußen vor der Tür: Je größer die Herausforderung, die man gerade ausblendet, desto mehr Spaß macht das Vergessen.

Verfügbarkeit: Die ganze Sendung kann man hier in der ZDF-Mediathek abrufen – bis zum 13. Juni 2021.