Ursprünglich sollten die Akten noch etliche Jahre unter Verschluss bleiben – nun sind sie im Internet aufgetaucht.

Das „ZDF Magazin Royale“ und die Internetplattform „Frag den Staat“ haben am Freitag nach eigenen Angaben NSU-Geheimakten des hessischen Verfassungsschutzes veröffentlicht. „Wir glauben, die Öffentlichkeit hat das Recht zu erfahren, was genau in jenen Dokumenten steht, die ursprünglich für mehr als ein Jahrhundert geheim bleiben sollten“, heißt es auf der dazu eingerichteten Website. Um die Quellen zu schützen, seien die Akten komplett abgetippt und ein neues Dokument erstellt worden, um keine digitalen Spuren zu hinterlassen, schrieb Böhmermann auf Twitter.

 
 

Demnach offenbare sich in den als geheim eingestuften Dokumenten „ein mehr als zweifelhaftes Bild von der Arbeit des hessischen Verfassungsschutzes; vor allem während der 90er Jahre“. Aus den Akten gehe hervor: „Zu dieser Zeit sammelte der Dienst zwar umfangreiche Daten, hatte dabei aber weder den Überblick über seinen Bestand, noch folgten aus den gesammelten Informationen stets Konsequenzen.“

Bei dem Dokument handelt es sich laut Deckblatt um einen Abschlussbericht zur Aktenprüfung im Landesamt für Verfassungsschutz Hessen im Jahr 2012. Der Bericht ist auf den 20. November 2014 datiert. Es ist somit die vom damaligen hessischen Innenminister Boris Rhein beauftragte Überprüfung, bei der „nicht der NSU, sondern der hessische Verfassungsschutz und seine Rolle in Bezug auf die Taten des NSU“ untersucht worden sei, wird auf der eingerichteten Website erklärt. 

Akten sollten erst für 120 Jahre unter Verschluss

Um sogenannte NSU-Akten des hessischen Verfassungsschutzes - Ergebnis einer Prüfung, bei der die Behörde eigene Akten und Dokumente zum Rechtsextremismus auf mögliche Bezüge zum NSU geprüft hatte - gibt es seit Jahren Streit. Sie waren zunächst für 120 Jahre als geheim eingestuft worden, später wurde die Zeit auf 30 Jahre verringert. Zehntausende Personen hatten in einer Petition die Veröffentlichung gefordert. Die Initiatoren der Petition erhofften sich neue Erkenntnisse über die Morde der rechtsextremen Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrunds“ (NSU) und mögliche Verbindungen zum Mord an Kassels Regierungspräsidenten Walter Lübcke.

Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) hatte im Mai 2021 die Entscheidung verteidigt, die Akten nicht zu veröffentlichen. „Für die Arbeit unserer Sicherheitsbehörden ist es immanent, dass sie ihre Arbeitsweise nicht für jeden offenlegen können“, sagte er damals im Landtag in Wiesbaden. „Ansonsten könnten die Verfassungsfeinde selbst diese Informationen nutzen, um unsere gemeinsamen Werte zu bekämpfen oder Menschen gezielt zu gefährden.“ Er verwies darauf, dass das zuständige Parlamentarische Kontrollgremium Verfassungsschutz vollumfängliche Akteneinsichtsrechte besitze und jederzeit sämtliche Informationen des Verfassungsschutzes einsehen könne.

Die rechtsextremistische Zelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) hatte über Jahre unerkannt morden können. Die Opfer: neun Gewerbetreibende türkischer und griechischer Herkunft und eine deutsche Polizistin.  Die Rechtsterroristen verübten außerdem zwei Bombenanschläge mit Dutzenden Verletzten und etliche Banküberfälle.