Die Reportage in der ZDF-Reihe „37 Grad“ begleitet den jungen Oberleutnant Matthias Lehna ein Jahr lang bei einer Friedensmission im afrikanischen Mali. Der Protagonist mit seiner reflektierten Art erweist sich als Glücksgriff für den sehenswerten Film.

Stuttgart - Viele Beiträge der ZDF-Reihe „37 Grad“ sind oft schon deshalb interessant, weil sie ganz normale Menschen in außergewöhnlichen Situationen zeigen. Das gilt auch für „Einsatz im Wüstensand“ (26. Juni, 22.15 Uhr). Jörg Stolpe und Daniel Moj stellen einen Gebirgsjäger vor, der als Zugführer mit seinem Trupp von gut vierzig Mann eine heikle Mission absolviert: Die Männer sollen im Auftrag der UN den fragilen Frieden im afrikanischen Mali sichern.

 

Die Autoren durften den 27-jährigen Oberleutnant Matthias Lehna im Verlauf eines Jahres immer wieder bei der Arbeit beobachten. Auf diese Weise bietet die Reportage Einblicke in eine Welt, die den meisten Zuschauern fremd sein dürfte. Stolpe und Moj lassen im Film offen, welche Absprachen es gegeben hat. Es wäre zum Beispiel denkbar, dass Lehnas Arbeitgeber die Dreherlaubnis mit verschiedenen Bedingungen verknüpft hat; zum Beispiel, um sicherzustellen, dass die Sendung kein schlechtes Licht auf die Bundeswehr wirft.

Die zuständige ZDF-Redakteurin Simone Grabs räumt ein, dass man sich diese Fragen ebenfalls gestellt habe. Die Auswahl des Protagonisten sei auf Vorschlag der Bundeswehr erfolgt, aber „wir waren einverstanden, weil Matthias Lehna zwar einerseits noch jung und wenig erfahren, andererseits aber eloquent und reflektiert genug erschien, um den Film zu tragen“. Während der Dreharbeiten bei der Bundeswehr in Deutschland sowie in Mali sei ein Presseoffizier dabei gewesen, doch dessen Aufgabe habe vor allem in logistischer Unterstützung bestanden: „Er hat nicht versucht, inhaltlich Einfluss zu nehmen.“

Die Bundeswehr hat nicht versucht, Einfluss zu nehmen

Allein in Mali habe es einige Einschränkungen gegeben, „die jedoch die Privatsphäre der Soldaten und die Sicherheit betrafen“. Grabs versichert, die Bundeswehr habe das Drehmaterial nicht gesehen und auch nicht darum gebeten, dass der Film vor der Ausstrahlung vorgelegt werde. Die Autoren ergänzen in einem eigenen Statement, es habe keinerlei „direkte oder indirekte Einflussnahme“ gegeben, im Gegenteil: „Die Bundeswehr schien, anders als viele andere Unternehmen und Organisationen, sehr darauf zu achten, dass nicht einmal im Ansatz der Eindruck aufkommt, sie würden kritische oder unliebsame Töne vermeiden wollen.“

Tatsächlich ist „Einsatz im Wüstensand“ ein angenehm unparteiischer Film. Sollten sich Stolpe und Moj dem Thema mit vorgefassten Meinungen genähert haben, so ist davon nichts zu spüren. Während die „37 Grad“-Reportagen dank eines empathischen Kommentars sonst meist Mitgefühl stimulieren sollen, bleiben die Ausführungen hier durchgehend sachlich. Emotional wird’s allein bei Clara, der Frau des Zeitsoldaten: Die Jurastudentin ist schwanger, was ihre Situation nicht einfacher macht. Ihre Angst, es könne jeden Moment an der Tür klingeln, nachdem sie in den Nachrichten von Anschlägen in Mali gehört hat, lässt sich gut nachvollziehen. Davon abgesehen fürchtet sie in erster Linie, ihr Mann könne aufgrund eines traumatischen Erlebnisses in Mali psychisch angeschlagen nach Hause kommen.

Mit zunehmender Dauer erweist sich Lehna, wie stets bei „37 Grad“ durchgehend beim Vornamen genannt, immer mehr als echter Glücksgriff. Anfangs wirkt der Oberleutnant noch etwas distanziert, aber nach und nach haben die beiden Autoren offenbar einen immer besseren Draht zu ihrem Protagonisten gefunden.

Der Dank der Einheimischen hilft über die Sinnkrise hinweg

Matthias, gut aussehend, sympathisch, ist ein Mann, den man gern als Nachbarn hätte, aber entscheidender für die Qualität des Films ist seine Fähigkeit zur Reflexion. Er bildet mit seinem Zug eine Art schnelle Eingreiftruppe. Neben Patrouillen, bei denen die Soldaten nie wissen, wer eine Bedrohung darstellen könnte, sind sie vor allem gefragt, wenn etwas passiert. Eine Suche nach im Erdboden versteckten Sprengsätzen endet ergebnislos, ein Vorfall mit einer Sprengfalle entpuppt sich als Übung; die Schmerzensschreie des verletzten Soldaten klingen allerdings sehr überzeugend. Schlüsselszene ist ein Moment der „kleinen Sinnkrise“, als sich Lehna fragt, was sie überhaupt in Mali machen: „Was unterscheidet uns von Abenteurern?“ Wenig später gibt der Film die Antwort, als der Offizier ein Dorf besucht und lächelnd mit den Einheimischen plaudert, die versichern, wie dankbar sie für die Anwesenheit der Soldaten sind.

Nach fünf Monaten ist die Mission beendet, Matthias und seine Männer mussten keinen einzigen Schuss abfeuern; offenbar gab es keinerlei nennenswerte unvorhergesehene Ereignisse. Der Epilog zeigt ihn und Clara zwei Monate nach dem Ende der Mission mit ihrer kleinen Tochter. Natürlich hat der Film auch Leerstellen; das lässt sich kaum vermeiden, wenn man zwölf Monate in 25 Minuten pressen muss. Im Kommentar heißt es mal, Kritiker des Auslandseinsatzes monierten, Mali ginge Deutschland nichts an; es wäre interessant gewesen zu erfahren, welche Position Matthias in dieser Frage einnimmt. Seine eigene Rolle betrachtet er als Beitrag zur Gesellschaft. Die einen seien Altenpfleger, die anderen entsorgten den Müll, und er bringe sich auf seine Weise ein: „Irgendwer muss es machen.“