Seit 30 Jahren widmet sich die ZDF-Reportagereihe „37 Grad“ den Menschen und ihren Schicksalsschlägen, Lebenswendungen und Gefühlen. Ein Grund in der Jubiläumsfolge die wichtigen Fragen des Lebens zu stellen.
Wer bin ich, woher komm’ ich, wohin geh’ ich? Vieles mag sich verändern, aber die großen Fragen des Lebens bleiben; erst recht in einer Welt wie der heutigen, in der alles immer rasanter zu werden scheint, in der klassische Werte bröckeln und sinnstiftende Gemeinschaften wie Kirchen, Parteien oder Gewerkschaften zunehmend an Bedeutung verlieren. Die Behauptung, „37 Grad“ würde diese Lücke schließen, wäre übertrieben, aber hier gibt es Antworten, und das seit dreißig Jahren; damit gehört die Reihe zu den dienstältesten Programmmarken des deutschen Fernsehens. Obwohl die Reportagen theoretisch zum Bereich der sogenannten Verkündigungssendungen zählen und ursprünglich auch von den ZDF-Redaktionen „Kirche und Leben“ verantwortet wurden, geht es hier nicht um Gott, sondern um das Dasein in all’ seinen Facetten.
Vielfach ausgezeichnete Reportagereihe
Den Auftakt machte einst „Jenseits der Schattengrenze“; Hartmut Schoen wurde für sein Porträt eines Vietnam-Soldaten, den seine Kriegserlebnisse nicht loslassen, mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Seit November 1994 sind weit über tausend Beiträge entstanden, die dem ZDF einige Dutzend weitere Preise beschert haben. Dabei ist dieser Reihe nichts Menschliches fremd; es geht um das Leben, die Liebe und den Tod.
Anlässlich des Jubiläums blickt Peter Arens, ZDF-Leiter der Hauptredaktion Geschichte und Wissenschaft, auf die Anfänge zurück: „Wir haben uns damals vorgenommen, jede Woche aus dem Leben der Menschen zu erzählen; beobachtend, offen, vorurteilsfrei, in Ergänzung zur Dominanz politischer Formate, die sich wertend und in gewisser Weise streng mit der Gesellschaft befassten. Wir sagten uns trotzig: Nicht nur die Politik bestimmt das Leben der Menschen.“
Naturgemäß sind nicht alle Filme gleichermaßen gelungen. Der Kommentar klingt allzu oft, als könnten die Autorinnen und Autoren den Leuten, die sie porträtieren, in den Kopf gucken. Auch die Umsetzungen sind von unterschiedlicher Qualität. Weil es den Themen mitunter an Dynamik mangelt, weil „37 Grad“ nun mal Erzählfernsehen ist, gibt es regelmäßig Gespräche beim Autofahren oder bei der Zubereitung von Mahlzeiten. Am besten sind die Reportagen daher immer dann, wenn man sich ein eigenes Bild machen kann, weil die Menschen für sich sprechen. Die Jubiläumsfolge ist dafür ein gutes Beispiel. Ulf Eberle hat zwei Frauen und einen Mann gebeten, sich mit den „großen Fragen“ zu befassen: Braucht man Struktur und Disziplin? Ist die Liebe der Sinn des Daseins? Und worauf kommt es wirklich an im Leben?
Mitwirkende geben sich bemerkenswert offen
Die Schweizerin Julia, alleinerziehende Mutter, Heike und der frühere Journalist Wolfgang sind dreißig, sechzig und neunzig Jahre alt. Ihre Wege führten nicht immer geradeaus. Es gab Trennungen und schmerzliche Verluste, die Spuren hinterließen, doch sie sind mit sich im Reinen. Es geht diesmal also nicht um Themen von gesellschaftlicher Relevanz, sondern um (Zwischen-)Bilanzen. Alle drei haben entscheidende Stationen erreicht: Julia will sich beruflich neu orientieren, Heike hat die Rente vor Augen, und Wolfgang genießt seinen Lebensabend. Das Trio repräsentiert die vielleicht größte Qualität von „37 Grad“: Es ist immer wieder bewundernswert, wie offen die Mitwirkenden sprechen. Ein weiteres Merkmal ist der positive Ansatz. Obwohl es nicht selten um Schicksalsschläge geht, machen die Filme in der Regel Mut.
„37°“ ZDF, 5.11., 22.15 Uhr, und in der ZDF-Mediathek